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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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hat.“
    „Eine was? Erzähl! Aber vorher hätte ich gerne eine Tasse Kaffee.“
    „Bekommst du.“ Mara drehte sich zu der Maschine um und nahm sie in Betrieb. Eine knappe Minute später setzte sie Emma eine Tasse mit schwarzem, dampfendem Inhalt vor.
    „Vielen Dank. So, jetzt bin ich ganz Ohr!“
     
     

Strang 2 / Kapitel 17
     
    „Weisst du eigentlich, wo Seppi ist?“ Es war ein strahlend schöner Tag. Die Sonne hatte die Wand des Hauses aufgeheizt, was Ruth dazu bewog, ihre Näharbeiten nach draussen mitzunehmen, wo sie auf ihrer steinernen Bank ganz nah an der wärmenden Hauswand arbeiten konnte. Sie stellte den grossen Korb vor ihre Füsse, legte das Nähzeug neben sich und schnappte sich die erste Socke. Durch das Loch im Gewebe passten ihr Daumen und ihr Zeigefinger. Seufzend legte sie die Socke auf ihre Knie und schnappte sich Nadel und Faden. Sie war gerade mit Einfädeln beschäftigt, als Martin strammen Schrittes über den Hof marschierte.
    Wortlos ging er an ihr vorüber.
    Ruth musterte ihn. Sie kannte ihre Jungs. Wenn Martin mit diesem Schritt durch die Lande zog, war er konzentriert und nicht aufzuhalten. Seine Umwelt war vergessen, seine Aufmerksamkeit galt der Aufgabe. Er steuerte in den Werkzeugschuppen. Kurz darauf kam er mit einer Axt wieder heraus.
    „Martin?“ Ruth versuchte es vorsichtig noch einmal. Im ersten Augenblich schien er wieder nichts gehört zu haben. Er trat den Rückweg über den Hof an. Als er sich umdrehte, entdeckte er seine Mutter an der Hauswand. Er zuckte leicht zusammen.
    „Pass bloss auf, dass dir die Axt nicht aus den Händen rutscht.“
    „Entschuldige. Ich war in Gedanken.“
    „Das habe ich vermutet. Ich will dich auch nicht aufhalten. Ich wollte nur wissen, ob du Seppi seit gestern zu Gesicht bekommen hast.“
    Martin dachte kurz nach. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Nein. Nina und Tascha, aber Seppi? Nein.“
    „Mhm. Danke.“ Ruth wurde nachdenklich und Martin besorgt.
    „Fehlt er denn?“
    „Ja, seit gestern Mittag.“
    „Gestern Mittag? Gestern war…“ Martin unterbrach sich.
    „…Rudi hier. Ja. Aber er wird kaum unseren Hund mitgenommen haben.“
    „Mama, es geht hier um Rudi“, betonte Martin.
    „Ach komm, jetzt hör auf. Rudi ist zwar skrupellos, aber an unseren Hunden hat er sich noch nie vergriffen.“
    „Er hat meinem Hasen im wahrsten Sinne des Wortes den Hals umgedreht. Als ich daneben stand. Und warum? Weil der Hase die Möhre gegessen hatte, die Rudi zum Abendessen haben wollte. Er ist vollkommen gestört.“
    „Was den Umgang mit Tieren angeht, so gebe ich dir Recht. Ansonsten ist er harmlos. Alles was grösser ist als eine Gans lässt er in Ruhe.“
    „Muss ich dich an die Kuh erinnern?“
    Die Kuh. Er hatte sie einfach erschossen. Der Grund war heute noch unklar. Ruth seufzte.
    „Eben. Sie stand friedlich auf der Weide. Sie hat nichts getan. Seppi ist weder so gross wie eine Kuh, noch steht er friedlich herum. Er könnte in Rudis Augen also sehr wohl etwas getan haben.“
    „Er wollte auf die Jagd gehen. Vielleicht hat er ihn mitgenommen. Seppi ist ein sehr guter Begleiter.“
    „Rudi nimmt nie etwas anderes mit als sein Gewehr. Hoffen wir, dass Seppi nur irgendwelche Flausen im Kopf hat und bald wieder heimkommt.“ Martin warf seiner Mutter einen Blick zu, der seine zuversichtlichen Worte Lügen strafte. Er schulterte seine Axt und ging davon.
    Ruth hatte ein schlechtes Gefühl. Seppi war ein zuverlässiger Hund. Wo konnte er nur sein?
     
    Rudi durchquerte den Wald in sicheren Schritten. Bald kam er am Fuss des Horns an. Er wollte sich diese Gämse holen, von der die Jäger im Dorf tags zuvor gesprochen hatten.
    Eine weisse Gämse. So etwas hatte es in dieser Region noch nie gegeben.
    Wenn dieses Tier tatsächlich existierte, würde er es finden. Er würde es erlegen und den Kopf zuhause über den Kamin hängen. Zuerst würde er es aber in der Beiz im Dorf präsentieren und sich hochleben lassen.
    Der Aufstieg war anstrengend, aber der Gedanke an den Erfolg trieb ihn an. Nach und nach lichteten sich die Bäume. Das steile Gelände wurde felsiger und karger. Die Gefahren des Waldes liess Rudi hinter sich. Jetzt musste er sich denen des Felsmassivs stellen.
    Er blieb stehen und verschaffte sich einen Überblick. Rundherum thronten mannshohe Gesteinsbrocken. Dazwischen taten sich meist gefährliche Spalten auf. Manche Felsen waren überhängend, manche stabil wirkenden Steine waren lose.
    „In Ordnung.“ Rudi

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