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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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Schuss abgegeben hat?“
    „Im Glauben auf die Gämse zu schiessen, ja.“
    „Nun, er hat auch etwas getroffen.“
    „Deinen Stammkunden.“
    Mara nickte langsam. „Genau. Er wurde wohl bewusstlos oder sonstwie benommen, dass er nicht mehr mitbekommen hat, was mit Rudi geschehen ist. Oder er hat es mitbekommen und kann uns einfach nichts mehr davon berichten, sei es wegen der Kugel oder des Schocks oder weil er es einfach verdrängt hat. Jedenfalls blieb er einige Tage unauffindbar und plötzlich tauchte er wieder im Dorf auf, mit einer Kugel im Kopf. Du kannst dir ja vorstellen, was hier los war, als er einfach bei uns reinspazierte und sich an den Stammtisch setzte. Schmutzig, stinkend, verkrustetes Blut und eine anständige Wunde am Kopf.“
    „Meine Güte!“
    „So ungefähr habe ich auch reagiert. Natürlich habe ich sofort Phils Vater angerufen. Man beschloss, die Kugel im Schädel zu lassen, da das Herausnehmen mehr Schaden angerichtet hätte. Er hatte riesiges Glück gehabt. Seither wird unser Freund nur noch die Kugel genannt.“
    „Wie ist er überhaupt aus den Bergen zurückgekommen?“
    „Das wüssten wir auch gerne. Und er selbst wohl ebenfalls.“
    „Er hat keine Ahnung mehr?“
    „Nicht die geringste.“
    „Ist das überhaupt möglich? Ich meine, eine Kugel im Schädel und dann noch aus schwierigem Gelände nach Hause finden, alleine?“
    „Es sieht danach aus. Kugel ist jedenfalls wieder unter uns, er ist am Leben und es steckt ihm etwas Unnatürliches im Kopf. Mehr Beweis dafür, dass man unter widrigsten Umständen über sich hinauswachsen kann, braucht es nicht. Denke ich.“
    „Scheint so. Sag mal, dieser Rudi, weiss man zufällig, ob er irgendein Laster hatte, das ihn vielleicht veranlasste zu sündigen?“
    Mara sah Emma skeptisch an. „Worauf willst du hinaus?“
    „Das weiss ich selbst noch nicht so genau. Die Sache ist nur, ich habe mit eurem Pfarrer gesprochen. Dabei sind wir ein bisschen ins Rätseln gekommen. Er erzählte mir zum Beispiel, dass die Mutter Schrägstrich Schwiegermutter von Käthe und Bernard aus deren Haus hätte vertrieben werden sollen. Aber sie starb in dem Haus. Später starben dann Käthe und Bernard. Ruben, Miriams Ehemann, galt als Ehebrecher, Miriam nahm sich deshalb das Leben. Seitdem ward Ruben nie wieder gesehen und die Alphütte fackelte bis auf die Grundmauern ab.“
    „Die Hütte brannte nicht vollständig nieder“, unterbrach Mara Emmas Ausführungen.
    Erstaunt hob Emma eine Augenbraue. „Wie meinst du das?“
    „Nebst dem steinernen Fundament blieb noch etwas anderes übrig, das den Leuten dann so richtig einen Schrecken einjagte.“
    „So? Was soll das gewesen sein?“
    „Der Balken im Tenn.“
    „Der was und wo?“ Emma sah aus, als hätte man ihr eine physikalische Abhandlung zu erklären versucht.
    „Der Balken, an dem Miriam sich erhängt hat. Der steht noch. Er hat das Feuer fast unbeschadet überstanden.“
    „Im Ernst? Das ist doch aber gar nicht möglich! Der ist doch aus Holz, oder?“
    „Das macht es ja so unheimlich. Niemand aus dem Dorf geht seither gerne dorthin. Der Balken ist wie ein Mahnmal. Ein Heiliges Kreuz hätte die Menschen kaum besser daran erinnert, sich zu benehmen.“
    „Das muss ich mir mal ansehen. Wie kommt man dahin? Wandern, nehme ich an?“
    Mara legte Emma die Hand über den Arm. „Ich rate dir, lass es. Gerade du solltest die Finger von solchen Ausflügen lassen.“
    Mara sprach diese warnenden Worte mit solchem Nachdruck, dass sie in Emma einen inneren Widerstand auslösten.
    Was wurde hier gespielt? Man wollte ihr doch am laufenden Band weismachen, dass alles in bester Ordnung war. Warum sollte sie dann also nicht zu dieser mysteriösen Alphütte aufbrechen?
    „Im Gegenteil. Vielleicht sollte gerade ich da rauf gehen.“ Emma funkelte Mara herausfordernd an. „Es ist doch alles in bester Ordnung. Dieser Ansicht seid ihr doch alle. Oder habe ich etwas verpasst? Sag mal, Mara, wie viele verunglückte Familienmitglieder gab es denn?“
    Mara versuchte Haltung zu bewahren. Aber es fiel ihr schwer.
    Sie holte tief Luft ehe, sie antwortete. „Neun? Zehn? Ich weiss nicht mehr genau.“
    „Neun oder zehn solche Unfälle innert einem Zeitraum von anderthalb Jahren. Da hatte das Schicksal aber mächtig zu tun, meinst du nicht auch?“, fragte Emma sarkastisch.
    Mara bekam einen rauen Hals. Ihre Handflächen wurden feucht. Sie musste das Gespräch in andere Bahnen leiten. Oder besser: Sie musste das

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