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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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wurde, war sein Puls in die Höhe geschnellt. Es war schliesslich nicht ganz ungefährlich gewesen, sich durch die Passagiere zu schleichen.
    Sein absoluter Stolz war aber der kleine Sprengsatz an der Stromleitung. Seit er sein Spiel begonnen hatte, hatte er ihn vorsorglich montiert gehabt. Und er hatte so gehofft ihn zünden zu können.
    Er gluckste vergnügt.
    Fernzündung. Eine faszinierende Erfindung.
    Er erinnerte sich daran, wie er seine Stromfalle zum ersten Mal gestellt hatte. Damals, vor über dreissig Jahren. Wie er die Stromleitung während des Gewitters an Peters geliebtes Verandageländer gekoppelt hatte, war auch nicht ohne gewesen. Peter hätte eben nicht so habgierig und geizig sein sollen, dann wäre sein Leben vielleicht verschont geblieben. Aber nur vielleicht.
    Er schwelgte weiter in der Vergangenheit, als sich im Licht am Ende des Tunnels etwas regte. Ein Kopf nach dem andern tauchte auf.
    Sie waren also draussen. Alle hatten es raus geschafft.
    Schade eigentlich. Mindestens einen hätte es zu Brathähnchen verarbeiten dürfen.
    Das nächste Mal vielleicht.
    Jetzt war es aber erst einmal Zeit, die Spuren zu beseitigen. Vorallem musste er seinen knöchernen Freund aus den Leitungen befreien. Dann würde er sich aus dem Staub machen. Bevor die Kavallerie kam.
     
     

Strang 1 / Kapitel 23
     
    „Mutter?“ Ben wütete wie ein Orkan durch das Haus. Jedes Zimmer riss er auf, durch jeden Raum wirbelte er hindurch. „Wo bist du? Wir müssen uns unterhalten. Jetzt.“
    Nach Emmas Abgang war auch Ben aus der Garage hinausgestürmt, hatte sich auf das Motorrad gesetzt und war zum Haus seiner Mutter gerast.
    Er fand Alice schlussendlich in ihrem eigenen Badezimmer, das an ihr Schlafzimmer angrenzte. Sie lag in der Badewanne. Das hielt Ben aber nicht davon ab, den Duschvorhang zurückzuzerren und sie wütend anzufunkeln.
    Erschrocken riss Alice die Augen auf. Sie musterte das Gesicht ihres Sohnes, und sie wusste um seinen inneren Zustand.
    Jetzt war mütterliche Ruhe angesagt. Langsam hob sie die Hände aus dem Wasser, durchbrach mit den Armen die Schaumberge und zog die Kopfhörer aus den Ohren. Vorsichtig legte sie sie auf den Schemel neben der Badewanne, damit sie nicht nass wurden.
    „Ich bin ganz Ohr.“
    Auf einmal schien Ben nicht mehr zu wissen, was er hier eigentlich wollte. Mit der Unsicherheit eines kleinen Jungen unter den erfahrenen Augen einer Mutter trat er erst von einem Bein aufs andere, dann setzte er sich auf den Deckel der Toilette.
    „Mama?“
    Wo sollte er nur anfangen?
    „Kannst du mir endlich sagen, was in diesem vermaledeiten Dorf gespielt wird?“
    Alice sah ihn traurig an. Hin und her gerissen zwischen Geheimhaltung und der Forderung ihres Sohnes, das Schweigen zu brechen. „Du hast mir doch immer vertraut, oder, Ben?“
    „Ja, das habe ich. Es dauerte aber eine Weile, bis ich begriff, dass du mir das Wissen um meinen Vater nicht vorenthältst, um mich zu ärgern.“
    Das Lächeln kehrte in Alices Augen zurück.
    „Ich habe dir geglaubt, als du sagtest, es wäre besser, wenn ich nicht wüsste, wer er war. Du hattest immer ein sicheres Gespür dafür, was das Beste war.“
    „Natürlich. Ich bin deine Mutter.“
    „Das heisst aber nicht, dass du automatisch alles richtig machst.“
    Sie entdeckte den Schalk in seinen Augen. Das stimmte sie ein wenig ruhiger.
    „Wie dem auch sei.“ Der Schalk verschwand wieder. Der Blick wurde ernst. „Mama. Du schleppst ein Geheimnis mit dir herum. Seit Jahrzehnten. Dieses Geheimnis hast du gewahrt um jemanden zu schützen. Um mich zu schützen. Ist es nicht so?“
    Alice zeigte keine Regung.
    „Okay. Ich werte das jetzt einfach als Zustimmung. Die jüngsten Ereignisse zeigen deutlich, dass noch jemand anderes von dieser Sache Wind bekommen hat. Und dieser Jemand veranstaltet nun ordentlich Wirbel. Du glaubst nicht daran, dass das alles nur Zufall ist, was hier geschieht. Ich bin mir sicher, die wenigsten glauben das. Nur will es niemand zugeben. Niemand spricht es aus. Und dieses Schweigen könnte tödlich sein. Glaubst du, es geht alles wieder vorbei, wenn man die Augen davor verschliesst? Schon wieder? Beim letzten Wegsehen wurde eine ganze Familie ausgelöscht. Wie soll es diesmal enden? Der Name Reich kommt wieder aufs Parkett und die Katastrophen fangen von vorne an.“
    Die Katastrophen fangen von vorne an. Augenblick.
    In Bens Gehirn kreisten die Gedanken. Felssturz. Autounfall. Feuer.
    Die Geschichte wiederholte sich.
    Ben

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