Unschuldig!
Baumwipfeln nicht zu nahe zu kommen, und Charles' Antwort verlor sich in statischem Rauschen.
Steve folgte unbeirrt dem Verlauf des Wanderwegs und war froh darüber, dass er das Joggen nie aufgegeben hatte. Das regelmäßige Training hatte seine Beinmuskeln gestärkt und gab ihm jetzt das Durchhaltevermögen, das er in bergigem Gelände brauchte. Was Coop und Andrew anging, war er nicht so sicher. Auch nicht, was Frank betraf. Der Mann war in guter Form, begann aber um die Hüfte herum ein wenig aus der Form zu geraten.
Vielleicht würde ihn das nicht so schnell vorankommen lassen.
Nach weiteren fünf Minuten blieb er plötzlich stehen. Vor ihm bewegte sich ein Schatten, und dann sah er sie – eine einzelne Gestalt in dunkler Kleidung, die mühselig weiterkletterte, aber alle paar Sekunden stehen blieb, um Atem zu holen.
Ohne mehr Geräusche zu verursachen als unbedingt nötig, beschleunigte Steve sein Tempo. Als er nur noch gut fünf Meter von dem Mann in Schwarz entfernt war, blieb er stehen.
“Frank!”
Als sich der Mann ruckartig umdrehte, richtete Steve die Taschenlampe auf ihn. In dem grellen Schein wirkte Frank so verängstigt wie ein Tier, das in eine Falle gelaufen war. “Gib auf, Frank, du bist umzingelt.”
Aus der Ferne war das rasch näher kommende Geräusch eines Helikopters zu hören. Über Lautsprecher rief eine Stimme die Namen von Coop und Andrew, dann: “Da sind sie!”
Steve atmete erleichtert auf. Coop und Andrew waren gefunden worden.
Als Frank wieder losrannte, eilte Steve ihm nach. Obwohl die Luft sehr kalt war, ließ die Kletterpartie ihn schwitzen und nach Luft schnappen. Über ihm kreiste weiterhin der Helikopter.
“Hör auf zu rennen, Frank”, rief er. “Du machst alles nur noch schwieriger!”
Ohne stehen zu bleiben, drehte Frank sich um und begann zu schießen.
Als eine Kugel dicht an Steves Kopf vorbeiflog und mit einem grellen Pfeifen die Luft zerschnitt, stieß er einen Fluch aus. Der Bastard hatte ihn nur knapp verfehlt. Steve hob das Gewehr, zielte auf Frank und betätigte in dem Moment den Abzug, als sein Gegenüber erneut auf ihn schoss.
Der Polizist schrie auf und stürzte zu Boden, während er sein Bein festhielt. Steve rannte zu ihm, nahm die Waffe an sich und steckte sie in den Hosenbund. “Du verdammter Hurensohn”, murmelte er, als er neben dem Mann kniete. “Merkst du eigentlich nicht, wenn du keine Chance mehr hast?”
Frank schloss die Augen und lehnte seinen Kopf gegen einen Baum. “Verpiss dich.”
“Oh, das werde ich auch, mein Freund. Aber erst übergebe ich dich der Polizei. Wo habe ich dich getroffen?”
“Am Oberschenkel”, stöhnte er.
Steve riss das Hosenbein auf und warf einen raschen Blick auf die Wunde. Die Kugel hatte lediglich den Oberschenkel gestreift. Die Verletzung blutete, aber nicht sehr stark. “Die Kugel hat dich nur leicht gekratzt”, sagte er und fand es schwer, Mitgefühl zu zeigen. “Komm schon, steh auf.”
Da Frank nicht reagierte, beugte sich Steve über ihn, legte einen Arm um die Hüfte des Mannes und zog ihn hoch. “Entweder du kooperierst”, herrschte er Frank an, als der sich wehren wollte, “oder ich zerre dich bis zur Hütte hinter mir her. Du hast die Wahl, Kumpel.”
Frank murmelte atemlos etwas Unverständliches, dann begann er, neben ihm her bergab zu humpeln.
Hammond und sein Suchteam waren gerade eingetroffen, als Charles wieder anrief.
Diesmal klang er überglücklich. “Wir haben sie gefunden, Julia! Andrew geht es gut, und Coop ebenfalls.”
“Gott sei Dank. Bist du sicher, dass es Andrew gut geht?” fragte sie ängstlich. “Er ist nicht verletzt?”
“Wir haben ihn noch nicht hier. Der Copilot ist gerade auf dem Weg nach unten, um sie zu holen … aber er scheint in Ordnung zu sein. Er und Coop winken uns zu.” Durch den Lärm, den der Helikopter verursachte, konnte sie nur die Hälfte von dem verstehen, was Charles sagte. “… bringen sie dann zum Memorial … um sicher zu sein …”
“Kann ich mit Andrew sprechen, Charles? Ist das irgendwie möglich?”
“Warte, hier ist er.”
Sie hörte eine Reihe von knarrenden Geräusche und Stimmen. Die Sekunden verstrichen unerträglich langsam. Um sie herum waren die fünf Männer, die jeder ein Gewehr hielten, ruhig geworden und sahen zum Himmel. Der Helikopter war nicht mehr zu sehen, aber immer noch gut zu hören.
Dann hörte sie endlich am Telefon die Stimme, auf die sie so gewartet hatte. “Mommy!”
Die Erleichterung
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