Unschuldig!
wir zu Hause sind?” fragte Andrew, während er zusammenpackte.
Coop wünschte sich, die Antwort darauf zu wissen. Sie hatten keine Nahrung, kein Wasser, keine Arzneimittel, keine Waffen, um sich zu beschützen. Zum Glück verdeckte in dieser Nacht nicht eine Wolke den Mond. So würde er wenigstens genau wissen, wohin sie sich begaben. “Nicht sehr lange”, sagte er und hätte sich gewünscht, seinen eigenen Worten zu glauben.
Plötzlich zerriss ein langgezogenes, gequältes Heulen die Nacht.
Unter ihnen auf der Lichtung machte Frank vor Schreck einen gewaltigen Satz. Im gleichen Moment klammerte sich Andrew an Coops Hüfte fest.
“Was war das, Grandpa?”
“Nur ein Luchs, kein Grund zur Sorge”, erwiderte er und legte eine Hand auf Andrews Kopf. “Er hat mehr Angst vor dir als du vor ihm.”
Wieder sah er zur Hütte. Frank hatte sich offenbar entschieden, da er mit entschlossenen Schritten auf den Wald zuging.
Er folgte ihnen.
Coop bemühte sich, seiner Stimme keine Angst anmerken zu lassen, nahm den Jungen wieder an die Hand und sagte in spielerischem Tonfall: “Bereit, Soldat?”
Andrew seufzte. “Ich glaube schon.”
“Dann wollen wir mal.”
Auch wenn Julia es nicht hätte zugeben wollen, empfand sie etwas weniger Angst, da sie wusste, dass Steve unterwegs war. Seit sie auf den steilen Weg zum Pass eingebogen war, hatte sie keine Menschenseele mehr gesehen, während die Landschaft finster und verlassen erschien. Zum Glück war es eine sternklare Nacht, sodass sie die Straßenschilder und markante Punkte gut erkennen konnte, die sie noch aus ihrer Kindheit kannte. Ansonsten wäre sie vermutlich Gott weiß wo gelandet.
Sie verfluchte die sich windende Straße, die es ihr nicht ermöglichte, schneller als knapp fünfzig Stundenkilometer zu fahren. Sie umklammerte das Lenkrad und zwang sich, ruhig zu bleiben. Wenn sie jetzt durchdrehte, würde das niemandem helfen. Doch allem guten Zureden zum Trotz schnürte ihr die Angst von Zeit zu Zeit die Kehle zu und erstickte sie fast. Lass es ihm gut gehen, betete sie.
Im Lichtkegel der Scheinwerfer tauchte plötzlich das Verkehrsschild für Spurrillen auf. Sie lenkte hastig, begann zu rutschen, bekam den kräftigen Wagen aber wieder unter Kontrolle.
Ruhig, altes Mädchen.
Als die hell erleuchtete Hütte in Sichtweite kam, sprach sie noch ein Stoßgebet. Bitte, lieber Gott, lass Andrew nichts zugestoßen sein.
Mit wild pochendem Herz brachte sie den Volvo gleich neben Coops Buick zum Stehen und sprang aus dem Wagen. “Dad!” rief sie, als sie nach drinnen lief. “Andrew!”
Sie blieb abrupt stehen und erstarrte. Die Hütte war durchsucht worden. Kissen lagen auf dem Boden, Andrews Roboter stand auf dem Spieltisch, die sechs Kassetten lagen verstreut um ihn herum. In der Küche waren die Schränke ausgeräumt worden, ebenso Coops Angeltasche.
Übelkeit ergriff von ihrem Magen Besitz. “O mein Gott! Andrew!”
Sie stürmte ins erste Schlafzimmer, warf einen Blick auf das leere Bett und das offen stehende Fenster und fühlte sich kraftlos. Obwohl ihre Beine sie kaum noch tragen wollten, eilte sie ins zweite Schlafzimmer. Dort war das Bett nicht berührt worden.
Das Schlagen einer Tür ließ sie herumschnellen. “Dad!” Sie rannte nach draußen, während Tränen der Erleichterung über ihr Gesicht liefen.
Sie traf aber nicht auf Coop, sondern stieß stattdessen mit Steve zusammen.
“Sie sind weg”, schrie sie sofort und klammerte sich an seiner Lederjacke wie an einer Rettungsleine fest.
Steve sah zu Coops Wagen. “Was meinst du damit, dass sie fort sind?”
“Irgendjemand war hier! Die Hütte ist auf den Kopf gestellt worden, und jetzt sind Coop und Andrew verschwunden. Sein Bett ist völlig leer, und Dad hat gar nicht erst in seinem Bett geschlafen.” Sie drückte ihren Kopf an seine Brust. “Irgendwas ist ihnen zugestoßen.”
Steve legte seine Arme um ihre Schultern und drückte Julia kurz an sich, dann ging er in die Hütte, um sich dort umzusehen. “Reg dich nicht auf”, sagte er und nahm sie wieder in die Arme. “Coop würde es nicht zulassen, dass Andrew irgendwas zustößt.”
“Wen rufst du an?” fragte sie, als er sein Telefon aus der Tasche zog.
“Hammond. Er ist auf dem Weg hierher. Hank”, sagte er und hielt das Telefon so, dass sie das Gespräch mit verfolgen konnte. “Coops Wagen ist hier, aber er und Andrew sind weg. Die Hütte ist durchsucht worden. Außerdem parkt so etwa fünfzehn Meter den Weg hinunter
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