Unschuldig!
“Ich bin in Monterey geboren und aufgewachsen. Ich würde mir wünschen, wenn nicht nur die Cannery Row, sondern die ganze Stadt ihre Einzigartigkeit behalten würde. Ich habe nichts gegen Einkaufszentren, aber sie gehören nicht an diesen Küstenabschnitt.”
“Gehen Sie zu öffentlichen Versammlungen? Machen Sie Ihrer Meinung Luft?”
“Nicht mehr. Nicht, seit ich mich von Paul habe scheiden lassen. Vielleicht mache ich das wieder und mische mich stärker ein, wenn das alles vorüber ist und ich nicht länger des Mordes verdächtigt werde.”
Sie deutete auf ein gelbes Stuckgebäude. “Da drüben ist das La Ida Café. Steinbeck hat es in seinem Roman
Die Straße der Ölsardinen
in den vierziger Jahren unsterblich gemacht. Im zweiten Stock war früher ein Bordell.” Sie lachte. “Das war einer der beliebtesten Orte der gesamten Halbinsel.”
Ein heftiger, vom Ozean kommender Windstoß ließ sie zittern. Steve nahm den Arm fort, an dem sie sich untergehakt hatte, und legte ihn um ihre Schultern, um sie näher an sich heranzuziehen, während sie weitergingen.
Julias Körper versteifte sich für einen Moment, dann entspannte er sich wieder. Es war lange her, dass sie einem Mann körperlich so nahe gewesen war. Die Erkenntnis, dass es ihr viel besser gefiel, als sie erwartet hatte, ließ in ihr die Frage aufkommen, ob sie sich auch zu sehr an den attraktiven Reporter gewöhnte.
Als sie schließlich den Landrover entdeckte, atmete sie fast erleichtert auf.
“Vielen Danke für die Führung”, sagte Steve und ging mit ihr zur Beifahrerseite. “Ich hätte mir keine bessere oder reizendere Reiseführerin wünschen können.”
“Meine Mutter hat früher für die Handelskammer gearbeitet. Ich bin gut ausgebildet worden …”
Überraschend griff er an ihr Haar, spielte mit einer Locke, bevor er seine Hand um ihren Nacken legte und Julia sachte an sich zog.
Mit einem leisen, anziehenden Seufzen ließ es Julia geschehen, da sie nicht die Kraft hatte, sich dagegen zu wehren. Der Kuss war zunächst sanft, ein vorsichtiges Abtasten ihrer Lippen, ein Vorschnellen ihrer Zungen. Sie bewegte sich nicht, während sie jede Empfindung in sich aufnahm und es sich gestattete, dass die Hitze in ihr langsam, aber stetig zunahm.
Seine erregende, forschende Zunge war warm und sanft. Plötzlich konnte sie nicht länger still dastehen, nicht mit diesen starken Händen, die sich auf ihrem Rücken auf und ab bewegten und sie näher an ihn heranzogen, als wolle er ihren Körper in seinen aufnehmen.
Als der Kuss vor Verlangen rauer wurde, entstieg ein leises Stöhnen ihrer Kehle. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so empfunden zu haben. Sie konnte sich nicht an dieses süße, brennende Verlangen erinnern, diese perlende Wärme, dieses Entgleiten jener Kontrolle, von der sie sich geschworen hatte, sie nie loszulassen.
O Gott, was machte sie da? Wohin sollte das führen?
Sie nahm ihre ganze Willenskraft zusammen, um sich schließlich von ihm zu lösen. Sie atmete tief und bebend durch und hielt sich noch einen Augenblick lang an ihm fest, um sicherzugehen, dass sie nicht das Gleichgewicht verlor.
“Wenn du erwartest, dass ich mich entschuldige”, sagte Steve mit rauer Stimme, “dann wartest du vergeblich. Das werde ich nicht machen, weil ich dich von dem Tag an küssen wollte, an dem ich dich gesehen habe.”
Sie lächelte und fühlte sich unerklärlich schamlos. “Ich hoffe, ich habe dich nicht enttäuscht. Ich bin ein wenig eingerostet.”
Er nahm ihre Hand und begann, eine Fingerspitze nach der anderen zärtlich zu küssen. “Du hast mich nicht enttäuscht. Und was das Eingerostete angeht, kennst du bestimmt das Sprichwort … Übung macht den Meister.”
Wieder seufzte sie leise. Was immer er da mit ihren Fingerspitzen machte, ihr Körper reagierte auf eine Weise, die ihr den Atem raubte. Sie merkte, dass sie seinen Mund anstarrte und ihn wieder erforschen, wieder berühren wollte.
Bevor sie abermals schwach werden konnte, zog sie ihre Hand zurück. Was war mit ihr los? Ein Kuss, und sie wurde zum sexhungrigen Teenager und ignorierte alle Regeln, die sie für sich aufgestellt hatte, um jetzt jede Vorsicht einfach in den Wind zu schlagen.
“Es ist schon spät”, sagte sie, bekam aber kaum die Worte heraus. “Wir sollten uns auf den Weg machen.”
Sie wartete, fast so, als warte sie auf einen anderen Vorschlag.
Steve aber öffnete nur die Beifahrertür und half ihr beim Einsteigen.
21. KAPITEL
S timmen
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