Unschuldig!
ist man hier genau richtig.”
Steve hatte seinen Hunger vergessen und lehnte sich zurück, um Julia zu betrachten, während die die Gerichte auf der Tafel studierte. Auch wenn sie das Gegenteil behauptete, war Julia Bradshaw eine schneidige und mutige Frau. Ihre ansprechendste Eigenschaft aber war die Liebe zu ihrem Sohn. Irgendetwas geschah mit ihr, wenn Andrew ins Zimmer kam, etwas Wundervolles und Bewegendes, das Steve nie langweilig wurde. Gleichzeitig wurde ihm auf schmerzhafte Weise deutlich, wie sehr ihm eine eigene Familie fehlte.
Die Kellnerin kehrte Augenblicke später mit zwei Flaschen Bier zurück – ohne Gläser – und stellte ein Schälchen Erdnüsse auf den Tisch.
Nachdem sie beide New York Strips, medium, bestellt hatten, nahm Steve seine Flasche und stieß mit Julia an. “Auf morgen – und auf Ihren ersten Kurs, der ganz sicher ein Erfolg werden wird.”
“Danke.”
“Nervös?”
“Ein wenig.” Sie nahm einen Schluck. “Das ist Neuland für mich, das ich eigentlich erst hatte betreten wollen, wenn ich mich mit dem Gasthaus etabliert hatte.”
“Das wird ein Erfolg werden. Wir feuern Sie alle an, müssen Sie wissen. Penny, Frank, Ihre Mutter. Nicht zu vergessen Coop. Der ist so stolz auf Sie, der könnte fast platzen.”
Julia nahm eine Erdnuss aus dem Strohkorb und drückte sie auf. “Er ist ein typischer Vater, aber ich weiß dieses Vertrauensvotum zu schätzen. Nicht nur seines, sondern das von allen.”
Steve trank wieder einen Schluck Bier. “Ich habe heute Charles in der 'Hacienda' gesehen”, sagte er beiläufig. “Ich wollte nach unten kommen, für den Fall, dass er Ihnen die Schuld dafür gab, dass ich ihn so aus der Fassung gebracht habe. Aber er sah nicht aus wie jemand, der auf Streit aus war, darum bin ich dann doch oben geblieben.”
Sie nahm die Erdnuss in den Mund. “Charles hat sich zur Abwechslung mal von seiner besten Seite gezeigt.”
“Wie kommt das?”
Sie straffte ein wenig ihre Schultern. Wenn Steve nicht so wachsam gewesen wäre, hätte er die Bewegung wohl kaum wahrgenommen. Während sie in die Ferne starrte, beschloss er, sie nicht zu bedrängen. Sie hatte ein Recht auf ihre Geheimnisse, so wie er ein Recht auf sein Geheimnis hatte.
“Er kam vorbei, um sich zu entschuldigen”, sagte sie nach einer Weile.
“Tatsächlich? Wofür?”
Als sie nicht antwortete, wurde ihm klar, dass mehr hinter Charles' Besuch steckte, als er bislang angenommen hatte. Aus eigener Neugier und aus dem Gefühl heraus, dass sie reden musste, hakte er vorsichtig nach. “Wenn Sie darüber reden möchten, ich kann ziemlich gut zuhören.”
Julia lächelte. “Er hat sich nicht für seine öffentlichen Unterstellungen entschuldigt”, sagte sie, nachdem sie sicher war, dass sie niemand belauschte. “Und auch nicht dafür, dass er mir gedroht hat, Andrew wegzunehmen, obwohl ich das Gefühl habe, dass er sich unterschwellig schon entschuldigt hat.” Sie atmete tief durch. “Er wollte sich für das entschuldigen, was sein Sohn mir angetan hat, während wir verheiratet waren.”
Steves Augen verengten sich. “War er untreu?”
Sie lachte. “Ich wünschte, es wäre so einfach.” Als er sie weiter ansah, sagte sie leise: “Paul hat mich geschlagen.”
Steve presste die Kiefer aufeinander. “Wiederholt?”
Sie nickte.
“Dieser Hurensohn.”
“Darum habe ich ihn auch verlassen, ich konnte es nicht länger aushalten.”
“Und Charles wusste davon nichts?”
“Niemand wusste es. Außer meiner Mutter.”
“Wie ist Charles dahinter gekommen?”
“Seine Haushälterin hat es ihm gesagt.” Julia nahm wieder eine Erdnuss, spielte aber nur mit ihr. “Ich wusste, dass Pilar intuitiv war, aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass sie unser hässliches, kleines Geheimnis erahnen würde. Sie hat Charles die Wahrheit gesagt, nachdem sie ihn in den 12-Uhr-Nachrichten gesehen hatte.” Sie sah Steve an, ein schwaches Lächeln umspielte ihren Mund. “Das Gespräch hätte ich gerne belauscht. Pilar nimmt kein Blatt vor den Mund, nicht mal gegenüber ihrem Boss.”
Auch wenn er nichts sagte, erinnerte sich Steve gut an Pilar, da Sheila mit viel Liebe von ihr erzählt hatte.
“Pauls Neigung hat Charles sehr schwer getroffen”, fuhr Julia fort, während ihr Essen gebracht wurde. “Er hat es als persönliches Versagen aufgenommen. Sein ganzes Leben lang hat er versucht, seinen Kindern das zu geben, was sie seiner Meinung nach haben sollten: eine gute Ausbildung,
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