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Unschuldslamm

Unschuldslamm

Titel: Unschuldslamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Arendt
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schließlich auf die Straße gezerrt und den trauernden Bruder gespielt haben sollte. Sie hatte versucht, sich diese Bilder vors Auge zu holen, und es war ihr nicht gelungen. Sie konnte nicht glauben, dass Aras Demizgül schuldig sein sollte am Tod seiner Schwester.
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    Sie war ein bisschen sauer auf Valentin, er hätte eigentlich noch mit ihr auf die S-Bahn warten können. Derya sah sich um. Sie war nicht die Einzige auf dem Bahnsteig, trotzdem war ihr unwohl. Sie hätte schon längst zu Hause sein müssen, elf Uhr war abgemacht gewesen. Aber sie hatte eine SMS geschickt, dass sie noch ein Video gucken wollten und dass Michelles Mutter sie dann nach Hause fahren würde. Stattdessen stand sie hier, der Schein der gelben Gasbeleuchtung war diffus, und die schweren gusseisernen Träger der Bahnhofsüberdachung warfen tiefe Schatten. Derya ging zum Süßigkeitenautomaten und kramte nach Kleingeld für eine Packung M&M s. Sie hatte Hunger. Valis Mutter hatte ihnen heute nichts ins Zimmer gebracht, überhaupt war die Alte tierisch zickig gewesen. »Du schon wieder«, hatte sie gesagt, als Derya mit Vali nach Hause gekommen war. Okay, es war schon spät gewesen und nicht abgemacht, aber hallo?! Vali war kein kleiner Junge mehr, seine Mutter wollte das einfach nicht schnallen. Vali hatte sie ins Haus gezogen, an seiner Mutter vorbei, hatte sie nicht eines Blickes gewürdigt. Derya aber hatte die Mutter triumphierend angeguckt, und sie konnte genau sehen, dass die scheiß-sauer gewesen war.
    Vali, Georg, Lenny, Michelle, die blöde Lana und sie, Derya, waren in der Sandgrube hinterm Teufelssee gewesen, grillen und Party machen. Klar hatten sie getrunken. Michelle hatte diese geilen Maracuja-Shots mitgehabt, auf die sie so abfuhren, und die Jungs hatten Bier und Wodka Red Bull getrunken, bis Lenny gekotzt hatte. Vali war irgendwann neben ihr aufgetaucht, und dann hatten sie doch wieder geknutscht. Sie hatte gewusst, dass sie ihn wiederkriegen würde. Nach den Ferien hatte er mit ihr Schluss gemacht, aber Derya hatte gespürt, dass er es eigentlich nicht wollte. Es waren seine Eltern. Deswegen hatte er ihr keine einzige SMS aus Frankreich geschickt. Als sie ihm Stress gemacht hatte, hatte er gemeint, dass er nicht mehr mit ihr zusammen sein wollte. Und dabei hatte er sie nicht einmal angesehen! Derya war total klar gewesen, was los war, und Michelle war der gleichen Meinung. Die Eltern von Vali hatten keinen Bock auf sie. Valentin Bucherer, der Sohn aus gutem Hause, hatte was Besseres verdient. Bloß keine »Türkin«. Aber sie hatte es geschafft, dass er wieder angekrochen kam.
    »Interessant«, hatte die Mutter gesagt, als Vali sie zum ersten Mal zu sich nach Hause gebracht hatte.
    Vorhin, in der Sandgrube, war er aber wieder zu ihr gekommen. Sie hatten rumgemacht, und sie hatte die SMS an ihre Eltern geschrieben, dass sie bei Michelle noch Video gucken würden. Dabei war Michelle mit Georg abgezogen. Sie hatte ihrer Mutter gesagt, dass sie bei Derya übernachten würde. Michelles Mutter würde das sowieso nicht checken, die hatte noch nie bei Derya zu Hause angerufen, um nach Michelle zu fragen. Michelles Mutter schnallte wahrscheinlich gar nicht, dass Michelle schon längst mit Typen rummachte und die Pille nahm. Klar, die Alte hatte auch keinen Mann, aber einen fetten Job und war immer gestresst. Deshalb machte Michelle auch, was sie wollte.
    Jedenfalls waren sie alle abgehauen, nur die blöde Lana hatten sie in der Sandgrube sitzen lassen. Sollte die sich doch um Lenny kümmern.
    Vali war mit dem Fahrrad da gewesen, und Derya hatte sich auf den Lenker gesetzt, und dann hatte Vali versucht, so die Teufelsseechaussee hochzufahren. Einmal waren sie umgekippt und in die Büsche gefallen. Sie hatten gelacht, und Vali hatte unter ihr T-Shirt gefasst, an ihre Brüste. Es war so wahnsinnig schön gewesen, und Vali hatte gestöhnt. Derya war total heiß geworden und hatte es unbedingt gewollt.
    Derya riss die Packung M&Ms auf und schüttete sich die Schokonüsse in den geöffneten Mund. Während sie kaute, musste sie lächeln. Vali schmeckte auch so süß. Obwohl er Bier getrunken hatte, schmeckten sein Mund und seine Zunge süß und frisch. Ein bisschen kühl. Sie hatte gedacht, heute würde es passieren. Sogar Gummis hatte sie dabeigehabt. Aber sie hatten wieder nur gefummelt. Immerhin hatte sie

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