Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
ablaufende Gedächtnisprozesse unterstützt. In diesem Falle übernimmt der Autopilot Aufgaben, die ihm noch vor Jahren kaum jemand zugetraut hätte; die Befunde zeigen, dass er bei manchen Menschen sogar teils äußerst komplexe Konflikte bewältigen kann. Der Willensakt wird also nach vorne verlagert: Erst muss man üben, üben, üben, und schließlich geht alles wie von selbst.
Zauber des Abstrakten
Was aber unterscheidet ein hehres Ziel, zum Beispiel »ewig weiterzuleben«, von einem konkreten, etwa einem vor uns hängenden, roten, saftig glänzenden Apfel? Distanz ist das eine, denn der Apfel hängt direkt vor uns, während die Ewigkeit, die uns versprochen wird, in einer unbestimmten Ferne liegt. Abstraktheit ist das andere, denn der Apfel hängt konkret vor uns, während ein Begriff wie Ewigkeit vieles umfasst, vieles bedeuten kann und wenig greifbar ist. Das, was im Hier und Jetzt konkret vor uns sitzt und mit einem Herz aus Marzipan schreit: »Iss mich, ich schmecke lecker!«, ist konkreter und körperlicher als die Vorstellung, dass mir, wenn ich darauf verzichte, in einem Monat vielleicht mein neuer superenger Tanga passt.
Erweiterungen der Marshmallowstudien von Walter Mischel haben auf das Körperliche, Unmittelbare von Versuchungen aufmerksam gemacht. Mischels Team beobachtete nämlich diejenigen Kinder eingehender, die es erfolgreich 15 Minuten lang vor dem Süßkram ausgehalten hatten. Was hatten sie anders gemacht? Und welche Strategien haben Fünfjährige, die sich mit der Aufgabe schon sehr viel leichter taten? Sie hielten sich die Augen zu oder versteckten die Süßigkeiten vor sich selbst unter dem Tisch. Damit vergaßen sie die Süßigkeit zwar nicht, aber das Konkrete, das Saftige eines Stückchens Mäusespeck verblasste.
In anderen Untersuchungen wurden die Marshmallows durch Bilder von Marshmallows ersetzt. Und auch in diesem Fall wird das Objekt der Begierde abstrakter, es ist nur noch ein Symbol und wird dadurch kontrollierbar. Unter diesen Bedingungen waren die Kinder sogar bereit, doppelt so lange auf die Belohnung zu warten. Stellten sie sich den Süßkram möglichst abstrakt vor, also als runde Form oder Rechteck, hielten sie den Belohnungsaufschub viel besser aus, sogar noch besser als die Kinder, die sich durch Gesänge oder Gebrabbel ablenkten (was die häufigste Strategie bei Kindern dieses Alters ist). Wurden sie hingegen gebeten, sich den leckeren, süßen Geschmack, die appetitliche Farbe und die saftige Weichheit von Marshmallows konkret vorzustellen, sank ihre Willenskraft. Unter diesen Umständen war es für die Vierjährigen fast unmöglich zu widerstehen.
Was bei Kindern wirkt, sollte auch bei Erwachsenen verfangen. So dachten Kentaro Fujita und Kollegen und untersuchten die Folge von Abstrahierung bei studentischen Versuchspersonen. Dabei sollten sich einige von ihnen in einer ersten Phase des Experiments viele abstrakte Begriffe vorstellen, während andere an konkrete Dinge erinnert wurden. Anschließend sollten die Teilnehmer einen Handgriff so lange drücken, wie sie konnten, oder angeben, wie attraktiv sie bestimmte Verlockungen fanden, die einem Studium im Weg stehen. Hatten die Versuchspersonen vorher einen abstrakten Denkstil geübt, fanden sie Aktivitäten wie Fernsehen, Telefonieren und Party weniger attraktiv als diejenigen, die einen konkreten Denkstil aktiviert hatten. Abstrakter denkende Versuchsteilnehmer waren auch besser imstande, den Handgriff zu drücken, als die konkreter denkende Kontrollgruppe. Diese Befunde sprechen dafür, dass abstrakte Denkweisen hilfreich bei der Selbstkontrolle sind. Stelle ich mir einen leckeren Kuchen als »Nahrungsmittel« vor statt als »Schokoladentörtchen mit Himbeermark und Walnusskrokant«, verliert er an Attraktivität. Anders gesagt: Nimmt man das Konkrete, Sinnliche aus dem begehrten Objekt, wird es weniger verführerisch. Und nimmt man das Konkrete, Schmerzliche aus einer Handlung wie »Handgriff drücken«, hält man sie länger durch. Abstraktheit schafft Distanz, wie wir in Prinzip 6 gesehen haben, und sie erhöht den gefühlten Abstand zur Verführung.
Vermutlich lässt sich so auch der positive Effekt erklären, den Humor auf Selbstkontrolle hat. Er schafft ebenfalls Distanz. In dem Moment, wo man sich selbst nicht mehr so wichtig nimmt, werden konkrete Selbstdefinitionen wie »aber ich kann doch nicht ohne Kuchen leben« irgendwie lächerlich.
Kurz gefasst
Leider ist es inzwischen zu spät. Aber auf der
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