Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
und fühlen uns sicher und merken nicht, dass wir beeinflusst werden. Anders gesagt: Wir halten die Illusion unserer Autonomie aufrecht.
I am what I am?
Kann man nun sagen, dass wir Menschen gar nicht zu unbeeinflussten Urteilen fähig sind? Dass wir nur Spielball anderer sind? Und vollkommen von äußeren Einflüssen regiert werden, so dass drei Buchstaben auf der Kühlerhaube stärker wirken als unser Verstand? So wird diese neue sozialpsychologische Forschung zum Unbewussten von vielen (übrigens auch von vielen Kollegen) verstanden: Wir sind automatische Mitläufer, und diese Forschung zeigt vor allem Urteils fehler auf. Warum aber taucht dann gerade diese Forschung in einem Buch auf, das das Geniale der Selbstregulation aufzeigen will?
Zunächst sollten wir festhalten, dass die Beeinflussbarkeit ihre Grenzen hat. So wissen wir aus der Forschung, dass eine Verhaltensänderung schwieriger ist, wenn eine Person ihre Meinungen und Ansichten fest und konsistent im Langzeitgedächtnis verankert hat. Je stärker jemand etwa Nazis oder Rinderzunge hasst, umso schwieriger ist es, ihn davon zu überzeugen, die NPD zu wählen oder Rinderzunge wenigstens einmal zu probieren. Dazu sind die Abneigungen zu stark in unserem Gedächtnis abgespeichert und zu sehr an eine starke Emotion gekoppelt. Sie machen den Kern unserer Persönlichkeit aus.
Zwar esse ich heute – anders als vor zwanzig Jahren – Käsebrote und treibe mehr Sport, aber natürlich sind andere, wichtigere Einstellungen so stabil in mir verankert, dass sie meine Freunde vor allzu vielen Überraschungen bewahren. Dieser Kern meiner Persönlichkeit verleiht meiner Person eine gewisse Vorhersehbarkeit – auch wenn und obwohl ich in den letzten Jahren viel umgezogen bin und den unterschiedlichsten Denk- und Lebensweisen ausgesetzt war. Mein Interesse am Lesen, an Musik, an gesellschaftlichen Themen, meinen Freunden ist seit vielen Jahren gleich geblieben. Viele dieser Vorlieben sind emotional verankert. Sie bereiten mir eine solche Freude und gehören so sehr zu meinem Leben, dass ich nicht auf sie verzichten kann und trotz häufiger Ortswechsel auch gar nicht muss – denn sie ziehen mit um. Auf einen solchen Kern unseres Selbsts wirken sich Einflüsse aus der Umwelt kaum aus.
Neben diesen ausgeprägten Vorlieben oder Meinungen gibt es allerdings jede Menge Ansichten, die uns nicht so wichtig sind oder bei denen wir uns »so dazwischen« bewegen. Käse- oder Marmeladenbrot, Pommes frites oder Bratkartoffeln, Geranien oder Petunien auf dem Balkon, schwarzes Kleid oder roter Rock, Urlaub auf Mallorca oder Rügen – wer bräche für solche Entscheidungen einen Streit vom Zaun? Wenn man keine feste Meinung bezüglich solcher Alternativen hat, lässt man sich viel leichter von der Farbe einer Verpackung, Trends, den Kommentaren des Partners, einer originellen Werbung oder anderen Oberflächlichkeiten verführen. Aber natürlich auch durch neue relevante Informationen wie: »Pommes Frites enthalten krebserregende Stoffe«, »Leute, trinkt mehr Wasser!« oder »Die Folgen der Sonneneinstrahlung wurden lange unterschätzt«.
Das gilt auch für politische Meinungen. Viele von uns sind Wechselwähler, was bedeutet, dass wir keine so starke Meinung gegenüber einer Partei haben, als dass man sie nicht ändern könnte. Eine wechselnde Informationslage, ein neuer, attraktiver Kandidat, eine Stimmung, in der man sich gerade befindet, eine gute Kampagne, die sich verändernde Meinung der eigenen Clique oder andere flexible soziale Faktoren beeinflussen Wechselwähler – bewusst oder unbewusst – viel mehr als Leute, die treu und unermüdlich immer dieselbe Fahne schwenken. Sie wiederum werden durch eine Gruppennorm bei der Stange gehalten.
Generell liegt in der Anpassungsfähigkeit eine große Chance. Vielleicht ist es das, was Wolf Biermann mit seinem berühmten Zitat meinte: »Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.« Die Tatsache, dass Veränderbarkeit zu unserem Grundinventar gehört, bedeutet auch, dass wir unser Leben selbst in der Hand haben. Ich kann jederzeit damit aufhören, Sport zu treiben, wenn neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen sollten, dass stattdessen tägliche Besäufnisse lebensverlängernd sind, oder mir das Gehampel mit den Gewichten zu sehr auf die Nerven geht. Freunde von mir haben jahrelang keine italienischen Nudeln gekauft, weil sie keine Produkte mehr aus einem Land kaufen wollten, in dem Berlusconi lange regierte. Wir sind
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