Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
gut fühlen, und schon fühlen wir uns gut. Halten wir also fest, dass sich soziale Normen, gesellschaftliche Werte und Vorurteile maßgeblich auf unsere Entscheidungen, unser Verhalten und sogar auf unsere Empfindungen und Gefühle auswirken können.
Verändere dich jetzt!
Was wir daran sehen, ist, wie sehr unser gesamtes psychisches System auf Veränderung abzielt, wie empfänglich es für direkten, aber auch indirekten Einfluss ist. Schon eine kleine Veränderung am Etikett, nur ein kleiner Hinweis, der gute oder schlechte Assoziationen weckt, können zu einem völlig anderen Sinneseindruck führen, und die Tatsache, dass Gruppenmitglieder ein bestimmtes Verhalten zeigen, animiert uns zur Nachahmung. Die wenigsten von uns werden auf Anhieb erkennen, welche Chancen ein solches System bietet. Vielmehr ist uns Veränderbarkeit, vor allem wenn sie von außen bewirkt wird, oft nicht geheuer. Veränderung hat einen Beigeschmack von Manipulation – und der Gedanke, wie eine Marionette zu sein, ist uns zuwider. Lieber wollen wir frei sein, eine Persönlichkeit sein, die selbstbewusst von sich behaupten kann: »Ich will einen älteren Mann!« oder »Ich brauche morgens eine Tasse Kaffee.« oder »Ich liebe Obama!« oder »Ich hasse Mallorca.« Aber eine Persönlichkeit, so sehr man sie selbst erschaffen kann, ist immer auch ein soziales Produkt. Viele von uns ertragen jedoch lieber den Vorwurf, auf einer Ansicht zu beharren, als den Anschein zu erwecken, wie ein Fähnlein im Wind zu sein. Dies ist nicht notwendigerweise vernünftig: Das sture Beharren auf bestimmten Ansichten ist unflexibel – und häufig sogar dumm. Im Übrigen ist es oft in demselben Maße auf soziale Einflüsse zurückzuführen wie Veränderung. Selbst der Exot folgt häufig lediglich der Minderheitsgruppe der Exoten oder Rebellen; und auch dies geschieht, ohne dass man den Eindruck hat, einem sozialen Einfluss zum Opfer gefallen zu sein.
Von guten und von schlechten Rudeln
Gewissermaßen »blind« einer sozialen Norm zu folgen mag uns Deutschen wegen unserer unrühmlichen Geschichte im 20. Jahrhundert tatsächlich als besonders gruselig und gefährlich erscheinen. In anderen Kulturen sind soziale Normen viel weniger negativ belegt. In den Niederlanden erlebe ich tagtäglich, dass das in Deutschland so verschrieene Rudelverhalten gar keinen so schlechten Ruf genießt. Bummeln Sie einmal durch Amsterdam und schauen Sie – wie alle anderen deutschen Touristen auch – den Einwohnern der Stadt schamlos in ihre Wohnungen. Sehen die nicht alle gleich aus?
Im letzten Jahr regte ein niederländisches Modemagazin an, vier gleiche Vasen mit jeweils vier gleichen Blumen ins Fenster zu stellen. Allein im Grachtengürtel zählte ich über 25 Fenster, die solchermaßen dekoriert waren. Im Winter 2010 gab es keine Studentin ohne hohe Stiefel, es ist kein Vorurteil, wenn man denkt, dass Niederländer gerne Camping-Urlaub machen, ich kenne kaum jemanden, der ein Hotel vorziehen würde, und wenn man in einem niederländischen Chatroom versucht, um 18 Uhr Kontakte zu knüpfen, sucht man vergebens. Dann sind alle, aber auch alle beim Abendessen. Ich habe den Eindruck, dass in diesem kleinen Land recht unverkrampft mit sozialen Normen umgegangen wird. Weil man stolz darauf ist, Niederländer zu sein, hält man sich gerne an die Regeln. 14
Allerdings werden neue Regeln in den Niederlanden gerne miteinander abgesprochen. Ich war ziemlich überrascht, wie häufig hier irgendwelche Nachbarschaftsabstimmungen stattfinden zu Fragen wie: »Sollen wir die Müllsäcke sonntagabends oder montagmorgens rausstellen?« oder »Wollen wir weiterhin Prostituierte in unserem Grachtengürtel dulden, oder verliert das Viertel dann zu sehr an Wert?« Und bevor ich eine Neuerung an der Universität durchsetzen kann, muss ich erst Hinz und Kunz davon überzeugen. Der Vorteil daran: Es entsteht nicht das Gefühl, man müsse sich einem Gruppendruck unterwerfen, sondern handele freiwillig. Man schafft sich die Normen selbst und lebt dann danach; dies ist eine Möglichkeit, einer Fremdbestimmung zu entkommen. Erst gestern habe ich zähneknirschend, aber ohne großen Groll dem netten Zivilbeamten 200,- Euro Strafe gezahlt, weil ich die Abfallsäcke einen Tag früher als abgemacht rausgestellt hatte. Ich habe eingesehen, dass dies ein asoziales Verhalten war, weil ich noch kurz vorher mit einer Nachbarin darüber gesprochen hatte, wie wichtig es ist, dass unsere Straße schön
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