Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
würden wir letztendlich nichts dazulernen. Aus diesem Grund sind wir in bestimmten Situationen gewillt, uns mit unseren Fehlern auseinanderzusetzen und damit der Wahrheit über uns und unser Verhalten näher zu kommen. Wir werden später sehen, dass man dazu Energie und einen gesunden Selbstwert braucht.
Das Bedürfnis nach Genauigkeit wird vor allem dann geweckt, wenn wir eine folgenschwere Entscheidung zu fällen haben und unsere Zweifel sich nicht vertreiben lassen. Eine Frau, die felsenfest daran glaubt, den Richtigen gefunden zu haben, und ihn heiraten will, wird sich nicht so schnell vom Gegenteil überzeugen lassen. Allerdings wird sie geneigt sein, ihre rosa Brille abzusetzen, wenn sich eindeutige und überzeugende Hinweise mehren, die gegen eine Heirat sprechen. Kommt dazu, dass sie noch nie hundertprozentig von ihm überzeugt war, wird sie zunehmend dazu bereit sein, sich auch unerwünschten, negativen Informationen in Bezug auf den Partner zu öffnen.
Allerdings ist dieser Wahrheitssuchende in uns nicht zwangsläufig ein Wahrheitsfinder. Unangenehme Informationen und Misserfolge können genauso an den Haaren herbeigezogen sein wie vermeintliche Erfolge und positive Erlebnisse. So ist bekannt, dass depressive Verstimmungen autobiografische Erinnerungen in einem allzu negativen Licht erscheinen lassen. Zugeständnisse von eigenen Fehlern sehen häufig nach ehrlicher Aufarbeitung aus, sind aber nicht selten das Gegenteil der rosa Brille des Hedonisten. Wühlt man in einer jämmerlichen Phase auch noch in seiner schrecklichen Kindheit, um zu prüfen, ob man nicht schon damals unfähig, miserabel und erfolglos war, dann können aus schlechten Erfahrungen schon mal richtig miese werden. Und hat man den Eindruck, man tauge ohnehin nicht viel, dann ist es ein Leichtes, tatsächliche Erfolge runterzuspielen und Misserfolge aufzubauschen. Letztendlich kann man aber nur in wenigen Situationen einen objektiven Befund zur Hilfe nehmen, wie sehr man selbst tatsächlich für einen Erfolg oder einen Misserfolg verantwortlich war; es ist immer möglich, dass man besser oder schlechter ist, als man denkt.
Beziehungen sind ein gutes Beispiel für unerwünschte Folgen des »Menschen als Wahrheitssucher«. Möglicherweise kennen auch Sie das ein oder andere Paar, das kein gutes Haar aneinander lässt. Interessanterweise scheinen manche Menschen es regelrecht zu brauchen, von ihrem Partner in ihrem negativen Selbstbild bestätigt zu werden. Nicht wenigen Menschen ist es lieber, ihr Partner bestärkt sie in der eigenen Ansicht, etwa dass sie schlampig, schlecht angezogen oder zu bestimmten Dingen unfähig sind, als dass er ihnen »Honig ums Maul schmiert«. Ein Kompliment käme ihnen wie eine oberflächliche Auseinandersetzung mit ihrer Person vor, während sie aus dem negativen Feedback den Schluss ziehen, dass der Partner sich mit ihnen gründlich auseinandergesetzt hat und dann mit einem selbst übereinstimmend feststellen muss, dass man zu bestimmten Dingen nicht taugt. Das tut vielleicht weh, ist aber wenigstens wahr. Erstaunt stelle ich immer wieder fest, wie viele Menschen meinen, dass zu einer sogenannten lebendigen Partnerschaft vor allem bittere Wahrheiten und Kritik dazugehören. Wenn ich auf die beliebte Partyfrage 17 »Streitet ihr euch oft?« antworte: »In 17 Jahren haben wir uns exakt viermal gestritten, und das war nach ein paar Stunden erledigt«, sind viele fassungslos: »Und das ist dann eine richtige Beziehung? Habt ihr denn überhaupt keine Auseinandersetzungen?«
Wie zynisch. Manche Menschen, die in ihren Beziehungen vor allem irgendeiner Wahrheit hinterherlaufen, können so in einen wahren Teufelskreis geraten; zum einen, weil sie von der fixen Idee besessen sind, dass im Prinzip nur eine konfliktreiche Beziehung eine gute ist; und zum anderen, weil ihr Selbstwert über die Zeit hinweg unaufhaltsam sinkt: »Ich denke, ich bin unfähig und nicht besonders attraktiv, das sagt auch mein Partner, also bin ich wohl nichts wert – ein hoffnungsloser Fall. Warum sollte ich mich also anstrengen, irgendetwas zu ändern?« Jemand, der meint, er sehe nicht gut aus, und von seinem Partner auch wenig Lob hinsichtlich seines Äußeren bekommt, wird sich in seiner Hässlichkeit bestätigt fühlen und nicht unbedingt weitere Anstrengungen unternehmen, das Beste aus sich zu machen. Am Ende ist er dann wirklich keine besonders attraktive Erscheinung. So kann man in eine regelrechte Spirale des Selbsthasses geraten,
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