Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
regulatorischen Fokus zu Grunde, dann liegt die Vermutung nahe, dass sich Menschen im Promotion-Fokus schneller an eine Aufgabe machen, die sie sich gesetzt haben, als Menschen im Prevention-Fokus, die eher zögerlich sind. Das wäre aber zu kurz gedacht.
Schauen wir uns noch einmal Zö genauer an. Zö hatte als Kind immer tausend Dinge gleichzeitig im Kopf: Sie wollte zum Ballett und kaum stand sie an der Stange, wollte sie Gesangsstunden nehmen; sie wollte Meeresbiologin werden und gleichzeitig eine Boutique aufmachen, sie wollte den Strickkurs und den Werkkurs absolvieren, und sie wusste morgens nie, welches Outfit sie wählen sollte. Stopp! Was gemerkt? Zu viele Ziele können dazu führen, dass man relativ lange braucht, um in Gang zu kommen. Und das war auch so. Vor lauter Ideen schwirrte Zö oft dermaßen der Kopf, dass sie gar nicht wusste, was sie zuerst tun sollte.
Wenn sich Mark-Rüdiger dagegen vorgenommen hatte, vor der Schule schwimmen zu gehen, dann stellte er den Wecker auf Viertel nach sechs, stand auf, zog die Klamotten an, die er sich am Abend vorher herausgelegt hatte, aß Pumpernickel mit Rübenkraut und war um Viertel nach sieben in der Badeanstalt. Mark-Rüdiger hatte eher wenige Ziele und Interessen, aber die verfolgte er konsequent und mit einem konkreten und gut durchdachten Plan in der Tasche. Wenn man ihn fragte, warum er dieses und jenes tue, dann sagte er in schönstem Platt: »Wat mut, dat mut.« Was muss, das muss, ist ein typisches Motto im Prevention-Fokus – ob man wirklich will oder nicht, spielt keine große Rolle; manche Dinge müssen eben einfach gemacht werden. Mark-Rüdiger sah es als seine Pflicht an, in Mathe eine Eins nach der anderen zu schreiben, und bekam sie dann auch. Menschen mit einem hohen Prevention-Fokus können ziemlich gut sein. Sie reißen sich zusammen, selbst wenn es ihnen gerade nicht so gut geht, und haben das Gefühl, dass fast alles, was sie machen, eine absolute Notwendigkeit ist. 26
Auch Zö war eine gute Schülerin, in anderen Fächern als Mark-Rüdiger wohlgemerkt, aber wenn man sie fragte, wie es dazu kam, dass sie in Deutsch eine Eins nach der anderen schrieb, dann sagte sie: »Weil ich die Menschen verstehen will. Und wenn ich Bücher lese, begreife ich sie besser.« Zö hatte immer diese großen, abstrakten Ziele vor Augen. Aber um die »Menschen zu verstehen«, reicht es nicht allein, Bücher zu lesen, eigentlich muss man auch viel reisen, mit anderen Menschen diskutieren, verschiedene Religionen kennenlernen etc. Alltägliche Ziele werden Mittel zum Zweck eines großen Ziels, und da viele Wege nach Rom führen, weiß man manchmal nicht, welchen man einschlagen soll. Die Menge der Möglichkeiten und die Abstraktheit der Ziele können dazu führen, dass Menschen wie Zö dann Ladehemmungen haben.
Mein Kollege Tony Freitas belegte die Beobachtung, dass Menschen im Promotion-Fokus länger brauchen, um ein Ziel anzugehen, während Menschen im Prevention-Fokus nach dem »wat mut dat mut«-Prinzip sofort loslegen, in einem Experiment. Dazu sollten sich die Versuchspersonen vorstellen, wann sie damit beginnen würden, einen Essay zu schreiben, den sie für die Bewerbung um ein Stipendium benötigten. Die Deadline sollte drei Monate später sein.
Wie zu erwarten wollten Menschen im Prevention-Fokus diese Aufgabe eher angehen als solche im Promotion-Fokus. Dies galt sowohl für den regulatorischen Fokus als festes Persönlichkeitsmerkmal (also solche Personen, die fast immer an Pflichten oder an Selbstverwirklichung denken) als auch für den spontan ausgelösten. Letzteres, das Wecken eines Fokus in der Situation, wurde dadurch erreicht, dass das Stipendium mal als Promotion-Fokus-Ziel und mal als Prevention-Fokus-Ziel dargestellt wurde. In der Promotion-Fokus-Beschreibung wurde daran erinnert, wie gut man sich mit so einem Stipendium fühlen würde. Mit dieser Vorgabe stellt man sich vermutlich vor, wie sehr man sich über eine solche Auszeichnung freut, welche Freiheiten ein solches Stipendium bietet oder was man mit dem Geld alles anstellen kann. In der Prevention-Fokus-Beschreibung dagegen wurde eindrücklich dargelegt, wie schlecht man sich fühlt, wenn man das Stipendium nicht bekommt. So dargestellt, denkt man eher an Situationen der Unsicherheit, in denen man sich finanziell einschränken muss und nicht weiß, ob und welchen Job man stattdessen annehmen muss. Da wird das Ergattern eines Stipendiums schnell zur Pflicht nach dem Motto: Ich muss
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