Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
das jetzt kriegen.
Freitas’ Forschergruppe fand heraus, dass die Versuchsteilnehmer eher mit dem Schreiben des Essays beginnen, wenn die Aufgabe im Prevention-Fokus beschrieben wurde. Im Promotion-Fokus dagegen stellte sich die vorhergesagte Verzögerung ein. Verstehen wir also etwas als Pflicht oder Notwendigkeit, gehen wir die Sache schneller an. Verstehen wir eine Aufgabe als Mittel zur Selbstverwirklichung, dann lassen wir uns mehr Zeit. Da es mehrere Wege zum Erreichen hehrer Ideale gibt, fällt es manchmal schwer, sich schnell für einen zu entscheiden. Zu viele Möglichkeiten verwirren, lenken ab. 27
In einer weiteren Reihe von Experimenten zeigte Freitas, dass sich Menschen im Prevention-Fokus auch nicht so schnell ablenken lassen. Wenn man etwas als Notwendigkeit ansieht, dann lässt man sich nicht beirren. So wie Mark-Rüdiger, den selbst das ostwestfälische Regenwetter morgens um Viertel nach sieben nicht davon abhalten konnte, im Schwimmbad seine vierzig Runden zu drehen. Da wurde Zö dann manchmal blass: »Tomatenmark 28 , du bist echt dreifach konzentriert. Echt schmerzlos!«, seufzte sie voll Neid.
Halt! Wie aber passt das zu den Befunden aus dem vorigen Kapitel, wo gezeigt wurde, dass Menschen im Promotion-Fokus schnell, aber ungenau zu Werke gehen? In der Motivationspsychologie muss man genau aufpassen, wann etwas passiert, bevor man eine Tätigkeit beginnt, oder was man tut, wenn man dabei ist . Generell gilt, dass man mit dem Prevention-Fokus schneller in die Klötze kommt, während man im Promotion-Fokus schneller und weniger vorsichtig ist, hat man die Aufgabe einmal in Angriff genommen. Je nachdem, wie groß die Ladehemmung im Promotion-Fokus ist und wie lahm ein Mensch im Prevention-Fokus wird, wenn er die Aufgabe bearbeitet, können also die beiden Fokusse mal zu schnelleren und mal zu langsameren Gesamtresultaten führen. Wie ich bereits betont habe, ist weder ein Promotion-Fokus noch ein Prevention-Fokus der Königsweg. Wie so häufig in der Psychologie ist die Frage weniger »Was ist gut?« als »Was ist gut wofür?«. Unsere Psyche stellt sich auf die unterschiedlichen Situationen ein. Wenn ein Stipendium für uns mehr oder weniger Luxus ist, lassen wir uns Zeit mit unserer Bewerbung; wenn es dagegen eine Notwendigkeit darstellt, dann legen wir sofort los. Im Allgemeinen tun wir beides jedoch, ohne uns dessen sonderlich bewusst zu werden.
Dieser Automatismus ist gar nicht so schlecht, und er funktioniert in vielen Bereichen. Brennt es unterm Schreibtisch, laufen wir – haste, was kannste – aus dem Haus. Rennen ist eine Notwendigkeit. Kräht draußen aber Raoul, ein Amseljunges, mit dem ich mich angefreundet habe, während ich an meinem Grachtenfenster sitzend an diesem Text schreibe, dann habe ich mit beidem keine Eile. Weder dabei, auf die Terrasse zu laufen, um dem Kleinen ein paar Löffel Müsli hinzustellen, die er mir jeden Tag mit seinem noch unbeholfenen Gesang abzuluchsen versucht; noch mit dem Weiterarbeiten an meinem Buch. Amselküken und Bücherschreiben sind Luxus. Sie können warten. 29
Wenn man aber bereits an einer anspruchsvollen Aufgabe sitzt, dann ist es, im Falle der Unsicherheit, sinnvoll, sie langsam und sorgfältig zu bearbeiten. Wenn ich etwas zu verlieren habe, sollte ich keine Risiken eingehen. Ich sollte langsam vorgehen, vermeiden, Fehler zu machen oder einen Teil der Aufgabe versehentlich zu überspringen. Wenn keine Gefahr droht, wenn ich auf Gewinne hoffe, nicht viel schief gehen kann und viele weitere Ziele auf meiner Liste stehen, dann gehe ich schnell und eifrig zu Werke – und Flüchtigkeitsfehler nehme ich dabei in Kauf. Das Unerhörte aber ist, dass sich jedes dieser Verhaltensweisen fast so einstellt wie mein Blutdruck. Ich muss es nicht merken, ich muss es nicht wollen. Es geschieht einfach.
Die Zeit ist das Limit
Zeit spielt auch in Form der allseits gefürchteten Deadlines eine Rolle. Dabei setzen wir uns viele Deadlines selbst. Das ist uns nicht unbedingt bewusst, aber wenn ich mir zum Beispiel morgens ein Brot schmiere, dann sehe ich zu, dass ich das schnell hinter mich bringe. Auch wenn wir duschen, uns anziehen, in ca. drei statt sechs Stunden eine neue Hose gefunden haben wollen, folgen wir einer inneren Uhr. Und dabei hat jeder eine gewisse zeitliche Schmerzgrenze (oder schmerzliche Zeitgrenze). Während ich für den Wohnungsputz eine halbe Stunde ansetze, verbringt der Ostwestfale gerne den gesamten Samstag damit.
Das Setzen von
Weitere Kostenlose Bücher