Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
Deadlines, wenn es darum geht, eine Entscheidung zu treffen, ist ebenfalls untersucht worden. In diesem Kontext hat Arie Kruglanski den Begriff Bedürfnis nach Entscheidung eingeführt. Unser Bedürfnis nach Entscheidung kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Manche Menschen mögen es nicht, eine Entscheidung vor sich her zu schieben, sie empfinden das Nachdenken und Abwägen und die damit verbundene Unsicherheit als unangenehm. Sie haben ein hohes Bedürfnis nach Entscheidung, das sich zum Beispiel darin äußert, möglichst bald ein Urteil fällen zu wollen, selbst wenn noch gar nicht alle Informationen dafür beisammen sind. Unter Zeitdruck müssen wir den Autopiloten anschalten. Das Resultat dieses vorschnellen Handelns ist dann meist recht konservativ; denn wer unter Zeitdruck überhaupt eine Richtlinie für eine gute Entscheidung haben will, dem bleibt häufig nichts anderes übrig, als auf altbewährte Meinungen zurückzugreifen, die sich in der Regel an der Gruppennorm orientieren. So werden Vorurteile der eigenen Gruppe ohne viel Nachdenken übernommen einschließlich der starken Überzeugung, dass Gruppennormen richtig sind. Dies wiederum führt zu einer Skepsis gegenüber allem Neuen, egal ob Informationen vorliegen, die für eine Veränderung sprechen, oder nicht.
Freilich setzen sich nicht nur Menschen, die ein hohes Bedürfnis nach Entscheidung haben, unter Zeitdruck. Zeitdruck ist Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Hier können also wiederum ein Persönlichkeitsmerkmal oder aber eine Situation Einfluss auf unsere Entscheidungsfindung nehmen bzw. können wir selbst uns mehr oder weniger unter Druck setzen oder unter Druck setzen lassen. Auch Zeitdruck, der durch äußere Bedingungen erzeugt wird, bringt wie oben beschrieben konservative Entscheidungen hervor. Aber was ist Zeit, psychologisch gesehen? Ich kann Ihnen im Rahmen dieses Buches keine ausführliche Vorlesung liefern und konzentriere mich auf einige wichtige Aspekte.
Wir sind uns selbst so nah
Zeitwahrnehmung ist relativ. Je nachdem, wie wir Zeit empfinden, ändern sich unsere Emotionen, unsere Motivation und unsere Gedanken. Gerade zum Beispiel geht es mir nicht schnell genug. Noch zwei Stunden nach Köln. Wie lange dauert das denn noch! Meine niederländischen Freunde bedauern mich häufig sehr, dass ich es so weit zu meinem Partner habe. Die deutschen Kollegen dagegen beneiden mich, weil wir »so nah« beieinander wohnen. Dieser kulturelle Unterschied ist schnell zu begreifen, denn alles ist relativ. In den kleineren Niederlanden ist man von Amsterdam aus in ein bis zwei Stunden in fast jeder anderen niederländischen Stadt. Und da ist eine Entfernung von 2 1/2 Stunden »helemaal niet dichtbij« (ganz und gar nicht nah). Bei deutschen Unibediensteten ist das Pendeln zwischen zwei Orten, die mehrere Stunden auseinander liegen, jedoch keine Seltenheit. Alles also relativ.
Nira Liberman und ich haben uns mit subjektiven Einschätzungen von scheinbar rein physikalischen Größen wie Zeit und Raum eingehend beschäftigt. Bei Entfernungen spielen willkürliche Dinge wie geografische Grenzen eine entscheidende Rolle. Dieselbe Distanz wird als größer empfunden, wenn eine Grenze zu überwinden ist. So fühlt sich bei vielen die Entfernung von Amsterdam nach Köln größer an als die von Köln nach Kassel, obwohl die letztgenannten Städte 50 km weiter auseinander liegen. Es scheint, dass das, was noch »zu uns« gehört, sich auch räumlich näher anfühlt.
Gruppentiere haben ein Territorium, einen Bereich, den sie für sich beanspruchen, und es ist kein Zufall, dass wir soziale Distanz mit räumlicher Distanz umschreiben. Wenn wir jemanden nicht mögen, sagen wir: »Ich stehe ihm nicht nahe«, wenn wir eine Meinung nicht teilen, sagen wir: »Ich bin weit davon entfernt, dies zu glauben.« Die Nähe von sozialer Distanz und Raum 30 kommt nicht von ungefähr, denn natürlich sind wir denen, die wir mögen, normalerweise auch räumlich näher. So habe ich mich zum Beispiel nicht neben den lauten Bayern gesetzt, der schon in Arnheim sein zweites Weizen intus hatte. Auch unliebsamen Kollegen weichen wir aus, »wir gehen auf Distanz«. Eine solche Assoziation, Freund = nah und Feind = fern, hat sich offenbar verselbständigt und verzerrt manchmal unsere Einschätzung von räumlichen Distanzen – mit Konsequenzen für die Zeitwahrnehmung, denn die Reise von Amsterdam nach Köln kommt uns dann länger vor als die von Köln nach
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