Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
ist, wie alle anderen Lebewesen auch, ein Gewohnheitstier. Aber im Gegensatz zum Tier hat er das Potenzial zur Veränderung (siehe Prinzip 1) und ist dazu in der Lage, kraft seiner Vernunft Verhaltensweisen zu ändern. Er kann gegen den Strom schwimmen, sich Neuem öffnen, und, im Rahmen seiner mentalen Fähigkeiten, die Vor- und Nachteile einer Haltung abwägen. Er kann sich von heute auf morgen dazu entschließen, eine andere Nudelsorte zu kaufen als die übliche, er kann sein Auto abschaffen, und er kann aus einer Beziehung aussteigen, die ihm nicht gut tut. Solche Entscheidungen kosten Zeit und erfordern den Einsatz des Verstandes.
Faszinierenderweise können – und müssen – wir aber auch unter Zeitdruck entscheiden und sind dabei häufig gar nicht so schlecht. Dem RIM-Modell zufolge verstärkt Zeitdruck unsere Neigung zu einem impulsiven Verhalten. Da in einer solchen Situation zum Reflektieren keine Zeit ist, entscheiden wir uns für das, was uns als erstes in den Sinn kommt, nicht für die vernünftigste Alternative. Weiter oben habe ich beschrieben, dass ich beim Einkaufen – wo ich nie viel Zeit habe – immer nach den italienischen Nudeln greife. Italienische Pasta ist für mich gute Pasta. Ein Mensch mit einem hohen Bedürfnis nach Entscheidung, der wie oben beschrieben, ständig unter Zeitdruck steht, würde vermutlich genauso handeln. Unter Zeitdruck würden unsere Entscheidungen auch auf anderen einfach zu erkennenden Merkmalen basieren. So sind wir dann z. B. eher geneigt, nach der ansprechendsten Verpackung zu greifen, denn um etwas schön zu finden, braucht man keine Zeit – wohl aber, um den Text auf der Verpackung durchzulesen.
Impulsives Verhalten ist keinesfalls rein zufällig, sondern geschieht auf der Basis von erprobten Verhaltensweisen und Vorlieben, die wir im Gedächtnis abgespeichert haben. Unser Autopilot, der von uns mit Erfahrungen bestückt wird – und dazu gehören auch viele Vorurteile –, wird vor allem bei Zeitmangel aktiviert. Will ich zum Beispiel einen guten Wein kaufen und habe wenig Zeit, gehe ich nach dem Preis oder der schönen Aufmachung, denn generell ist die Idee, dass Gutes teurer ist und schöner verpackt, natürlich richtig. Oder ich greife eben nach den italienischen Nudeln, weil ich abgespeichert habe, dass die Italiener bekannt für ihre gute Pasta sind. Faustregeln oder Heuristiken – also die Kunst, mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu guten Lösungen zu kommen – helfen uns in solchen Situationen, eine halbwegs gute Entscheidung zu fällen.
Marketingexperten sind sich dieser Automatismen durchaus bewusst – und nutzen sie. So werden in Deutschland hergestellte Nudeln, Eis oder Mozzarella gerne in italienischen Farben verpackt. So sind Weine aus Frankreich (Weinland!) generell überteuert, wobei selbst das ekeligste Gesöff mit einer Medaille und einem edlen Etikett aufwarten kann. So weiß jeder Immobilienmakler, dass selbst bei übelster Bausubstanz Käufer für ein Objekt gefunden werden können, wenn nur das Augenscheinliche wie die Klinken an den Türen und die Armaturen im Bad schick genug aussehen. Und so profitiert die Zigarettenindustrie von dem Trick, die Packungen himmelblau zu gestalten – die gehen weg wie warme Semmeln, weil sie nach »light«-Zigaretten aussehen.
Wie das RIM -Modell von Strack und Deutsch zeigt, beruhen impulsive »Bauch«-Entscheidungen auf der Aktivierung konservativer, eingeübter Verhaltensschemata. Impulsiv gehandelt wird insbesondere an deutschen Supermarktkassen. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass da all die Sachen stehen, um die wir eigentlich einen großen Bogen zu machen versuchen? Zigaretten, Schnaps, Schokolade und andere Dickmacher. Eine ganze Palette an Versuchungen lacht uns an, während wir vollauf damit beschäftigt sind, unsere Kinder in den Kindersitzen zu halten, die Waren auf das Band zu legen und das Portemonnaie zu suchen. Die Idee, diese verführerischen Dinge ausgerechnet in dieser Stresszone zu platzieren, kommt nicht von ungefähr. Eine Mutter hat in dieser Situation dem Gequengel der Kinder nach Schokolade wenig entgegenhalten; um der Brut zu erklären, warum sie das Zeug nicht essen sollte, bräuchte sie Zeit. Und schwups ist der Riegel auf dem Laufband, inklusive einem kleinen Seelentröster für sich selbst, obwohl man doch auf Diät ist – steht ja »die leichte Versuchung« drauf.
Will man sich nicht allein auf sein Bauchgefühl verlassen, sich gegen einen oberflächlichen
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