Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
dem tatsächlichen Resultat. Und das ist es, worauf es uns Psychologen ankommt, auf den Unterschied, ob wir »spontan« oder »überlegt« entscheiden unabhängig davon, ob die Entscheidung tatsächlich gut ist. Resultate spontaner Entscheidungen können gut sein – sie sparen Zeit und können vollkommen unbewusst ablaufen. Aber natürlich hilft uns unser Verstand, wenn wir komplexere Probleme zu bewältigen haben. Es kann eine gute Entscheidung sein, spontan in ein überteuertes Café an der Fifth Avenue zu gehen oder nach langem Überlegen das Auto abzuschaffen. Schaut man auf eine gute Entscheidung zurück, so hat man häufig sogar den Eindruck, man hätte vernünftig entschieden, obwohl es in Wirklichkeit eingefahrene Routinen waren, die man automatisch zur Entscheidungsfindung genutzt hat. Davon wird im nächsten Kapitel noch die Rede sein. Kommen wir zum Schluss jedoch zur schaurigsten Manifestation der Zeit: unserer eigenen Vergänglichkeit.
The Final Deadline
Wir haben gesehen: Zeit ist begrenzt, und Deadlines setzen unserem Tun bzw. unserer Entscheidungsfindung ein Ende. Unser Leben ist eine Zeitspanne mit den Endpunkten Geburt und Tod. Die wörtlich zu nehmende »dead«-line ist ebenfalls Gegenstand psychologischer Motivationsforschung: Motiviert uns der Gedanke an den Tod in einer bestimmten Weise? Was verändert sich, wenn wir an den »Sensenmann«, »Baldanders«, »Gevatter Tod« oder den Knochenmann mit dem Stundenglas denken? Klar, wir haben Angst davor. Wir sind Lebewesen, die neben der Flexibilität eine andere besondere und gleichzeitig fatale Eigenschaft besitzen: Wir wissen, dass wir sterben müssen. Und deshalb verändern wir unsere Verhaltensweisen, sobald wir den kalten Hauch des Todes im Nacken spüren.
Im Rahmen der Terror-Management-Theorie von Sheldon Solomon, Jeff Greenberg und Tom Pyszczynski wurden Probanden mit dem eigenen Tod konfrontiert – indem sie ihn sich vorstellen sollten oder indem in einem Kreuzworträtsel, das sie bearbeiten sollten, Wörter, die mit dem Tod zu tun haben (z. B. Tod, Beerdigung, Sense etc.), gefragt waren. In einer Vergleichsgruppe mussten sich die Versuchsteilnehmer einen Zahnarztbesuch vorstellen oder Kreuzworträtsel mit Wörtern füllen, die ebenfalls angsteinflößend, aber nicht existenzbedrohend wirken. Der Vergleich findet also zwischen bedrohlich-kurzzeitig (Zahnarzt) und bedrohlich-endgültig (Tod) statt. Danach wurden die Probanden anderen Aufgaben ausgesetzt, sie mussten unter anderem Mitmenschen beurteilen oder Kreativitätsaufgaben lösen. Wie diese Forschung gezeigt hat, verhalten sich Menschen, wenn sie sich existenziell bedroht fühlen, automatisch konservativer: Sie ahnden Normverstöße strenger und verehren umso mehr diejenigen, die für die eigenen Normen eintreten. So konnten Studien an amerikanischen Studenten zeigen, dass deren Bereitschaft, höhere Strafen für das Verbrennen der amerikanischen Flagge oder unerlaubte Prostitution auszusetzen, sehr viel größer war, wenn sie an den Tod erinnert wurden. Sie neigten außerdem dazu, nationalistischer zu werden und Andersdenkende oder Nicht-Amerikaner zu diskriminieren.
Das Eintreten für gemeinsame Werte ist ein psychologischer Selbstverteidigungsmechanismus gegen die Schrecken des Todes und das Vergessen. So wie unsere körperliche Immunabwehr Viren bekämpft, geht unsere Psyche gegen schlechte Gedanken an, vor allem solche, die die Auslöschung unserer Existenz betreffen. Ein Weg, dieser existenziellen Bedrohung zu entkommen, ist der Glaube. Wenn wir uns sicher sein können, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, dann sind wir aus dem Schneider – und müssen keine Angst vor dem Tod haben. Eine andere Möglichkeit ist die Zugehörigkeit des Individuums zu einer Gemeinschaft, zu einem Wertesystem, das man gemeinsam mit anderen vertritt und das einen überlebt . Je mehr wir für dieses Wertesystem leisten, umso mehr steigt unser Wert innerhalb der sozialen Gruppe und damit auch unser Selbstwert. Dies wiederum gibt uns Sicherheit und mildert unsere Angst. Es erklärt den Terror-Management-Forschern zufolge, warum Menschen überhaupt motiviert sind, an etwas Bleibendem zu arbeiten. Bücher schreiben, Pyramiden bauen, Theorien entwickeln, politische Konzepte entwerfen und natürlich auch Kinder bekommen und diese »im rechten Glauben« zu erziehen – all dies sind Möglichkeiten, schon zu Lebzeiten etwas Wertvolles und gleichzeitig überdauernde Werte zu schaffen. Die Verteidigung der
Weitere Kostenlose Bücher