Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
sündige Blicke mit einer der Ziegen tauschte –, tat sie das mit einem »Ach du, da bist du aber auch der Einzige, der das gesehen hat« ab.
Besonders erstaunlich war, dass Zö nach diesem Kraftakt gleich wieder aktiv wurde. Schließlich musste auch noch die schönste Hochzeitsreise der Welt angetreten werden, und danach wollte sie neben einer Tischlerlehre (ich finde den Beruf einfach biblisch!) Indogermanistik studieren (das ist ein Orchideenfach!). Die Fabrikbesitzer, die nach der Pleite klamm waren, mussten monatelang auf ihr Geld warten, und auch das Aufräumen (und Ausmisten) am Tag danach hatte Zö einfach vergessen. Ein Zeigarnik-Effekt par excellence, denn Zö war auf dem Weg zu einem neuen beruflichen, sozialen oder wesensmäßigen Erfolg und hatte Besseres zu tun, als sich länger als nötig mit den Nachwehen ihres Fests zu beschäftigen. Auch ihre Ehen (Jean-Marie schickte sie schon nach zwei Jahren in die Wicken) waren genauso schön wie sie schnell wieder vergessen waren. Jagt man von Ziel zu Ziel, werden zurückliegende Aufgaben rasch als abgeschlossen betrachtet und das Gedächtnis vom Ballast der Vergangenheit befreit. Wenn man allerdings wie Mark-Rüdiger ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit hat, verbunden mit einem Fokus auf Pflichten und Verantwortung, dann kann einen eine abgeschlossene Aufgabe auch später noch piesacken – und die erwartete Entspannung des Gedächtnissystems setzt nie ein.
Studien von Per Hedberg und Tory Higgins haben diese unterschiedlichen Verhaltensweisen mit einer Leseaufgabe belegt und konnten zeigen: Im Promotion-Fokus kommt es nach Zielerfüllung zu einer starken Hemmung von Gedanken, die mit dem Erreichten zusammenhängen. Menschen im Prevention-Fokus dagegen beschäftigen sich, noch lange nachdem sie ein Ziel erreicht haben, mit dem Vergangenen.
Zeigarniks im wahren Leben
Wir haben gesehen: Die starke Aktivierung zielbezogener Gedanken und das sofortige Vergessen, nachdem man ein Ziel erreicht hat, geschehen außerhalb unseres Bewusstseins. Dieses Wechselspiel zwischen Aktivierung und Hemmung erleichtert uns nicht nur das Leben, es hat auch noch andere Folgen, zum Beispiel hinsichtlich unserer Beeinflussbarkeit. Wenn nach der Zielerfüllung nichts mehr aktiviert ist, was mit dem erreichten Ziel zu tun hat, sind wir für alles, was damit zu tun hat, auch nicht mehr empfänglich.
Ich habe vor kurzem versucht, diese Zeigarnik-Effekte auf die Konsumentenforschung zu übertragen, und zwar auf folgendes Phänomen: Wenn Sie Bücher im Internet kaufen, werden Ihnen üblicherweise weitere Artikel zum Kauf empfohlen – eine Taktik, die auf der Logik der Assoziationisten beruht. Kaufe ich ein Buch von Christian Kracht, schlägt mir der Internetbuchhändler gleich ein anderes dieses Autors vor. Habe ich eine CD des Countertenors Philippe Jaroussky bestellt, werden mir direkt weitere CD s von Countertenören angeboten. Falsch gedacht. Wenn ich Lust auf Barockmusik habe, decke ich mitunter meinen Bedarf mit einer Jaroussky- CD . Damit ist mein Ziel »Barockmusik kaufen« jedoch erfüllt – die Gedanken an Barockmusik sind, zumindest zeitweise, gehemmt. Vielmehr schafft mein Kauf Raum für völlig neue Ziele, die sich möglicherweise um ganz andere Produkte drehen, Modehunde etwa, Geschirr oder Kleidung. Und hier sind den Marketingexperten des Internethandels klare Grenzen gesetzt. Zwar wissen sie aufgrund meines Kaufverhaltens inzwischen einiges über mich, aber sie können nicht ahnen, was ich als Nächstes vorhabe zu erwerben. Einen neuen Schal? Ein Vogelhäuschen für Raoul? Einen guten Wein? Dahinter werden sie nicht kommen, und dies erklärt unter anderem, warum wir nicht wie die Affen alles fressen, was uns vor die Füße geworfen wird. Irgendwann sind wir satt – Ziel erfüllt, keinen Hunger mehr. Die Taktik der Assoziationisten geht einfach nicht auf.
Wichtige Geheimnisse
Die Zielerfüllung hat einen Haken: Sie ist subjektiv, und manchmal hemmen wir Gedanken schon dann, wenn wir uns lediglich einbilden, ein Ziel erreicht zu haben – aber eigentlich noch daran arbeiten müssen. So kann es sein, dass Ziele durch das dauernde Reden darüber einen Wirklichkeitscharakter bekommen und wir meinen, wir hätten sie bereits erreicht. Man bezeichnet das als symbolische Zielerfüllung .
Ich dachte lange, es wäre eine Marotte von mir, nie über ein Projekt zu sprechen, bevor es nicht fertig ist. So will ich am liebsten alles, was mit meinem nächsten Chansonabend zu
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