Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
Zielerreichung, die nicht funktionieren; in Prinzip 3 war ja bereits von den Grenzen unseres Verstandes die Rede, davon, dass man hin und wieder die Zeit unterschätzt, die man für etwas braucht, oder bestimmte Größen nicht mit einkalkuliert. Und manchmal fantasieren wir uns in Zielzustände hinein, was, so zeigt Forschung von Gabriele Oettingen, durchaus fatal sein kann. Dann nämlich, wenn nicht mehr zwischen realisierbaren und nicht realisierbaren Fantasien unterschieden wird.
When dreams come true
Fantasien haben viele von uns. Darauf vertrauend habe ich 1997 New Yorker gefragt, ob sie ihre Dankesrede für den Oscar bereits formuliert hätten (Ich danke Kleopatra, den Rauchwürstchen dieser Suppe, die sich Leben nennt, und Hans-Ewald soll verrecken etc.). Tatsächlich bejahten die Interviewten mehrheitlich die Frage und lachten dabei verschämt, so als hätte man sie bei etwas ertappt. Als ich daraufhin wissen wollte, ob sie Schauspielunterricht nähmen, schon einmal bei einem Casting gewesen wären und andere Aktivitäten in Angriff genommen hätten, die sie zu diesem Ziel führen könnten, antworteten nur noch 2 % der Befragten mit Ja. Der Traum von einem Oscar war für die meisten also reine Fantasie ohne Konsequenzen. Wann aber richtet jemand sein Leben wirklich auf diesen Traum aus, nimmt Schauspielunterricht, lässt sich schönheitschirurgisch behandeln und geht mit den wichtigsten Regisseuren ins Bett? Und wann hat er tatsächlich eine Chance auf Erfolg?
Oettingen legt in ihrer Forschung dar, dass es dafür einer Kontrastierung von aktuellem Zustand und Ziel bedarf. Anders gesagt: Man muss darüber nachdenken, wie schön es wäre, später einmal eine Dankesrede zu halten, und gleichzeitig die Hindernisse im Hier und Jetzt abwägen (»da sind bei mir dann echt viele Operationen nötig«, »ich kann kein Englisch«, »ich schlafe nicht gerne mit Regisseuren« etc.).
Erst wenn man eine Diskrepanz zwischen den Hindernissen im Hier und dem Wunderbaren im Dort wahrnimmt, lässt sich auch die Erfolgswahrscheinlichkeit des Unternehmens realistisch einschätzen. Auf Erfolgserwartungen komme ich noch in Prinzip 8 zurück. An dieser Stelle sei jedoch verraten, dass jemand, der bei Betrachtung von Ist-Wunsch-Diskrepanz die Chancen auf Erfolg gering einschätzt (weil er etwa ein 42-jähriger, untersetzter Westfale ist, der kein Englisch spricht und sich für schüchtern hält), sich vermutlich von seinem Traum lösen wird. Jemand, der hingegen denkt, er hätte eine realistische Chance (weil er jung, gut aussehend und Sohn berühmter Schauspieler ist), wird das Ziel eher angehen. Problematisch wird es dann, wenn keinerlei Erfolgswahrscheinlichkeiten eingeschätzt werden und das Hier nicht dem Dort gegenübergestellt wird. Dies kann entweder zu hoffnungslosem Aktionismus führen oder dazu, dass man es gar nicht erst versucht.
Eine Forschergruppe um Gabriele Oettingen hat in Untersuchungen gezeigt, dass vor allem Menschen, die sich gleichzeitig mit Realität und Fantasie befassen, die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Ziels bedenken. So wurden Kinderkrankenschwestern in einer Studie gebeten, sich vorzustellen, wie schön es wäre, mehr Zeit für die Verwandten der kleinen Patienten zu haben. Die Autoren bezeichneten sie als die Gruppe der Schwelger . Diese Probanden dachten also vor allem an das Dort. Andere Kinderkrankenschwestern wurden aufgefordert sich vorzustellen, wie schwierig es ist, diesem Wunsch nachzukommen; dies war die Gruppe der Grübler , sie dachten vor allem an das Hier. Dazu muss man wissen, dass es natürlich für alle schön wäre, wenn sie Zeit hätten, sich mehr um die oft verzweifelten Eltern ihrer kleinen Patienten zu kümmern; diesem Ziel steht jedoch eine knallharte Krankenhausrealität gegenüber, in der nur für das Nötigste Zeit ist. Insofern also ein gutes Beispiel für das Auseinanderklaffen von Wunsch und Realität. Eine dritte Gruppe wurde gebeten, sich beides vorzustellen, das schöne Ziel und die Hindernisse ihrer Verwirklichung, als Hier und Dort. Nach zwei Wochen wurden die Teilnehmerinnen des Experiments gefragt, inwiefern sie versucht hätten, die Kommunikation mit den Verwandten ihrer Patienten zu verbessern. Wie zu erwarten, stellten vor allem diejenigen Schwestern einen Fortschritt fest, die sich beides vorgestellt hatten, Hindernisse und Wunschtraum, und zusätzlich eine hohe Erwartung hatten, ihren Wunsch auch in die Tat umzusetzen. Hatten sie den Erfolg von vornherein
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