Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
Zwar war ich zu dem Zeitpunkt in den USA schon bekannt, in Deutschland wurde ich aber noch als »Exot« gehandelt. Da war es nicht ungefährlich, ein populärwissenschaftliches Buch über Vorurteile zu veröffentlichen. Dieses Hin- und Herüberlegen, das Für und Wider sind typisch für die prädezisionale Phase, die manchmal endlos dauern kann.
Den Ausschlag gab letztlich ein Freund. Er setzte sich zu mir und spielte mit meinem Kranz: »Wer wenn nicht du sollte so ein Buch schreiben? Erstens sind Vorurteile ein wichtiges Thema. Und zweitens musst du doch irgendwann auch von der Narrenfreiheit profitieren, die du dir erkämpft hast. Schreib es. Es werden auf jeden Fall mehr als fünfzig Leute sein, die das Buch allein aus Neugierde kaufen werden. Und Leute, die dich scheitern sehen wollen, sind sichere Kunden.« Sagte es und schmiss die Lorbeeren, einem Frisbee gleich, in die Luft.
Im Großen und Ganzen hatte ich während dieser Zeit das Gefühl, meine Fähigkeiten und Schwächen und die (Un-)Kontrollierbarkeiten der Aktion relativ realistisch einschätzen zu können. Genauso wie Gollwitzer es vorhersagen würde, war ich in diesem Stadium für unangenehme Information offen, ja, ich suchte sogar aktiv danach. Zwar haben wir in Prinzip 2 gesehen, dass dies eher untypisch für uns Hedonisten ist, aber prädezisionale Phasen bilden eine Ausnahme von dieser Regel. Jedenfalls fertigte ich mir tatsächlich eine Tabelle an, deren Spalten mit »das kann ich«, »das kann ich nicht«, »Lösungsmöglichkeiten«, »das kann passieren« (aufgeteilt in »positiv« und »negativ«) überschrieben waren. Das hat mir später, als tatsächlich Schwierigkeiten beim Schreiben auftraten, sehr geholfen. Zum Beispiel hatte ich mir vorgenommen, wenn die Motivation einmal in den Keller sacken sollte, würde ich mit meinem Laptop an die Nordsee fahren und dort weiterarbeiten. Als die erwartete Schreibblockade wirklich eintrat und ich, zunächst betriebsblind und verzweifelt, nicht weiterwusste, genügte ein Blick auf meinen Zettel, und ich wusste, was zu tun war.
Land in Sicht
Nachdem besagter Freund wieder gegangen war, duschte ich, kämmte meine Haare, ölte sie mit bestem Olivenöl ein und stellte mich auf den Teppich, in den sich Kleopatra einst nackt für mich eingerollt hatte – mein Glücksbringer. Setzte mein Stehpult darauf, schrieb an den Verlag: »Ich schreibe!« – und lautlos bewegte sich der Teppich, von zweitausend Schildkröten gezogen, in Richtung Rubikon. 43 Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich hatte mich verpflichtet, ein Buch zu schreiben. Ich hatte sogar einen Vertrag unterschrieben. Hatte ich jetzt noch Schiss? Nein.
Von diesem Moment an änderte sich meine Denkweise dem Rubikonmodell gemäß. Ich kam aus der goldenen Rüstung, die ich früher nur zu großen Schlachten getragen hatte, nicht mehr raus. Ich kam mir jetzt viel größer vor, als ich war 44 , hatte keinen Zweifel mehr daran, schreiben zu können, und ließ mich durch nichts und niemanden beirren. Durch diesen Optimismus angestachelt, wagte ich grammatikalische Konstruktionen, die mein alter Lehrer Birkenkötter als »Seiltanzakte« verschrien hätte. Bemerkungen, die das Buchschreiben mies machten, ignorierte ich, betraute Kleo mit meinen Regierungsgeschäften, weil sie und diese lästigen Aufgaben mich nur von meinem wichtigsten Ziel abgehalten hätten, und vernachlässigte meine Familie. Hindernisse wurden aus dem Wege geräumt, jede Kritik im Keim erstickt, und wehe, jemand sagte etwas über meinen Stil, mein Deutsch oder meinen Verlag.
Mein offener Bewusstseinszustand der Überlegungsphase war vorüber, ich konzentrierte mich auf das Machbare, das Positive, sog jede zum Ziel führende Nachricht auf und ertränkte jede, die mich davon abhielt. So durchquerte ich den Rubikon, lachte den Wind aus, wandelte über die Wasser und besiegte den Tod.
Butter bei die Rubikonfische
Gollwitzer kann sein Modell der Handlungsphasen in umfangreichen Studien belegen. Während die Versuchspersonen in der Phase des Überlegens offen für alle möglichen zielbezogenen Informationen sind, ihre Kontrollmöglichkeiten realistisch einschätzen, ihre Schwächen und Stärken erkennen und zielführende Informationen effizient verarbeiten, werden sie, sobald sie einen Entschluss gefasst haben und in die Tat umsetzen wollen, zu kleinen Cäsaren. Mit anderen Worten: Sie entwickeln ein »gesundes« Selbstbewusstsein (überschätzen ihre Fähigkeiten, die Möglichkeiten der
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