Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
1221 Seiten schwere, die ich Ihnen an dieser Stelle nicht vollständig auseinandersetzen kann. Die PSI -Theorie ist vor allem eine Persönlichkeitstheorie, die sich damit beschäftigt, wie Menschen sich dauerhaft voneinander unterscheiden. Kuhl beobachtete, dass sich manche Menschen, während sie ein Ziel verfolgen, durch Rückschläge stark beeindrucken lassen, während andere souveräner damit umgehen oder, psychologisch ausgedrückt, diesen negativen Zustand besser verarbeiten. Manche Möchtegern-Cäsaren lassen sich beim Schwimmen durch den Rubikon von einem starken Wellengang einschüchtern, andere nicht. Die einen erinnern sich daran, wie sie schon einmal untergegangen sind, und reagieren mit Angst. Wer sich in dem Moment, wo er ein Projekt angehen will, solche negativen Erinnerungen ins Gedächtnis ruft, ohne sie zu relativieren (indem er sich etwa sagt: »Das muss ja nicht immer so sein.« oder: »Und wenn schon? Das kann man ja auch als Herausforderung sehen!«), verliert die Lust daran und den Mut. Jemand, der negative Erfahrungen gut verarbeiten kann, sie nicht als unausweichliches Schicksal begreift, sondern als Herausforderung, der ist motiviert, seinem Ziel weiter nachzugehen, und wird später, wie wir noch sehen werden, stolz auf das erkämpfte Ergebnis sein.
Menschen, die sich bei der Zielerreichung über Gebühr mit Negativem beschäftigen, nennt Kuhl Lageorientierte . Diejenigen, die sich vor allem auf das Ziel konzentrieren und dabei Negatives herunterregulieren, bezeichnet er als Handlungsorientierte . Sie lassen sich weder von Unkenrufern noch von Nörglern ins Bockshorn jagen. Und dennoch gibt es Situationen, in denen man massiv negativen Gedanken ausgesetzt wird und dadurch in eine Lageorientierung geraten kann. Ich hatte einmal eine Beziehung zu jemandem, der mir abgewöhnen wollte zu singen, weil er an meinem Gesangstalent zweifelte. Er sah mich lieber als Professor, auch wenn ich damit eine sehr vitale Seite meiner Existenz hätte aufgeben müssen. Mit einem Menschen zu leben, der einen wichtigen Bereich des eigenen Lebens in Frage stellt, lähmt. Ein solcher Zustand produziert Stress. Und Stress macht krank.
Wer sich zu sehr mit negativen Gedanken beschäftigt, wird von seinem eigentlichen Ziel abgelenkt. Unsere Fähigkeit zur Konzentration ist begrenzt, es bleibt keine Zeit mehr für das Wesentliche. Sängern ist dieses Phänomen nur allzu bekannt, schließlich macht man – was der Zuschauer nicht weiß – beim Singen dauernd Fehler. Man vergisst Atem zu holen, singt einen Ton zu laut, zu leise, ein kleines bisschen zu hoch oder zu tief. Eine Sensibilität für diese Fehler zu haben, ist gut und wird antrainiert; nur so wird man zum Experten. Ein guter Lehrer wird einem auf Dauer jedoch abgewöhnen, innerlich über solche Fauxpas zu fluchen. Er wird einem beibringen, dass ein Fehler, der einmal passiert ist, sowieso nicht mehr rückgängig zu machen ist. Ich sehe immer noch meinen Gesangsprofessor Ray Gilvan in seinem schottischen Jackett vor mir, wie er vom Klavier aus zu mir herüberschreit: »Nach vorne! Nach vorne denken!« Gut gebrüllt, Löwe! Trauert man Fehlern hinterher, vergeigt man automatisch auch den nächsten Ton, vergisst, wie man die nächste Phrase ausgestalten wollte, versemmelt den Text und bricht irgendwann frustriert ab. Die Erkenntnisse einer Gesangsausbildung lassen sich auf viele Lebenssituationen übertragen.
Nils Jostmann, einer meiner Kollegen an der Universität von Amsterdam, der als gebürtiger Bielefelder das Ansehen Ostwestfalens bis in das weite, platte Ausland mehrt, zeigte mit Sander Koole, dass sich Lageorientierte, die Negatives schlecht wegstecken können, tatsächlich weniger gut auf ein Ziel konzentrieren können. Er gab Menschen am Computer Farbwörter zu lesen, die in der entsprechenden Farbe präsentiert waren, also das Wort »blau« war in Blau zu sehen, »rot« in Rot etc. Zugleich gab er den Probanden Wörter zu lesen, die nicht in der korrespondierenden Farbe präsentiert wurden: So war das Wort »blau« beispielsweise in Rot abgebildet oder »gelb« in Grün. Die Versuchspersonen müssen die Farbe nennen, in der das Wort präsentiert wird. Diese Aufgabe ist sehr fehleranfällig und erfordert höchste Konzentration. Denn Lesen ist so automatisiert, dass es schwer fällt, die Präsentationsfarbe zu nennen, wenn beispielsweise das Wort blau in grün erscheint. Jostmann kam zu dem Ergebnis, dass Menschen mit handlungsorientierter
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