Unser Doktor
lächelte. Nach einer halben Stunde stand der Forstmeister auf und verabschiedete sich.
»Kommen Sie, Doktor«, sagte er, »gehen wir nach Hause.«
»Besten Dank für den Besuch, ihr Herren«, sagte der Mann und schoß hoch.
Draußen wandte sich der Forstmeister an den Doktor und grinste: »Tut so was weh?«
»Na«, murmelte der Doktor, »es ist ungefähr so, als säßen Sie auf einer Ofenplatte, auf einer heißen selbstverständlich.«
»Gut, gut«, murmelte der Forstmeister befriedigt und verschwand im Walde.
Der Doktor sah mich an und endete seine Geschichte mit folgender Pointe: »Und als ich nach Hause kam, wissen Sie, was ich im Kofferraum fand? Einen sorgfältig abgezogenen Hasen.«
»Haben Sie ihn gegessen?«
»Es war der schönste, der fetteste Hase, den ich je gesehen habe. Es fiel mir schwer, ihn zurückzuschicken.«
»Ein so schönes Geschenk?«
»Sie werden lachen, es war gar kein Geschenk. Sie hatten Angst vor einer Hausdurchsuchung. Deshalb haben sie mir den Hasen in den Kofferraum getan. Sie haben gedacht: >Beim Doktor werden sie nicht suchen<.«
Er erhob sich und sagte: »Gehen wir schlafen.«
In diesem Augenblick klingelte das Telefon, und der Doktor sah mich seufzend an.
Ein merkwürdiger Fall.
Die Frau lag auf dem Bett, in einem geblümten Pyjama. Das Deckbett war zurückgeschlagen. Sie atmete schwer und sah den Doktor an, als erkenne sie ihn kaum.
Schwere Herzattacke. Der Doktor kannte die Frau. Sie war knapp über vierzig, noch hübsch, in den Farben des Verblühens allerdings. Sie war die Frau des Leiters der Genossenschaftsbank. Der Direktor stand neben dem Bett, korrekt angezogen, und berichtete dem Doktor leidenschaftslos.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte er, »sie klagte über rasendes Herzklopfen, und ich rief Sie.«
Der Doktor verabreichte der Frau die Mittel, deckte sie zu. Die Frau hatte kein Wort gesprochen.
Auf Fragen antwortete sie nicht. Nur einmal sagte sie widerwillig: »Es ist gut, es ist gut.«
Der Doktor ging mit dem Direktor in den Gesellschaftsraum.
»Herr Sass «, sagte er, »was ist vorgegangen? Welche Aufregungen hat Ihre Frau gehabt?«
»Keine«, sagte der Mann und steckte sich eine Zigarette an, obwohl er gerade eine ausgedrückt hatte.
»Das kann nicht sein«, erwiderte der Doktor, »sie bekommt ihre Anfälle nur nach größter Erregung. Alle Aufregungen müssen von ihr ferngehalten werden. Ich habe Ihnen das immer gesagt.«
»Und ich habe genau zugehört«, sagte der Mann kalt, »ich erkläre Ihnen, ich weiß nicht, was meine Frau in Erregung versetzt hat.«
»Ich sagte Ihnen«, fuhr der Doktor langsam fort, »daß Aufregungen für Ihre Frau tödlich sein können.«
»Lieber Doktor«, sagte der Mann ruhig, »auch das habe ich gehört und richte mich danach.«
»Sie stehen mit Ihrer Frau nicht gut?«
Der Mann sah den Doktor aufmerksam an. »Lassen Sie mich dies ruhig fragen«, meinte der Doktor, »selbst wenn es Ihnen eine unerlaubte Einmischung zu sein scheint.«
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen«, sagte der Mann vorsichtig.
»Das will ich Ihnen genau sagen. Sie lassen mich kommen, ich gebe Ihrer Frau Mittel, die ihr für den Moment helfen. Aber nur für den Moment. Ich bin Arzt und als solcher an Heilung interessiert, an einer dauernden Heilung.«
Sass sah den Doktor überrascht an. »Ist denn so was möglich, Sie selbst haben mir doch gesagt — .« Er brach ab.
Der Doktor ließ ihn nicht aus dem Blick. »Ihre Frau hat einen schweren Herzschaden, der nicht zu reparieren ist. Wollten Sie das wissen?«
»Das war es, was Sie mir beim ersten Besuch sagten.«
»Dennoch ist Ihrer Frau zu helfen. Sie sollte in ein Sanatorium. Sie sollte mal ein halbes Jahr ausruhen, unter ständiger ärztlicher Aufsicht stehen. Die Mittel dazu haben Sie.«
Der Mann hob die Schultern.
»Sie will nicht gehen. Ich habe ihr den Vorschlag gemacht.«
»Haben Sie ihr den Vorschlag entschieden genug gemacht?«
Der Mann zog nervös an seiner Zigarette.
»Ja, aber sie geht nicht.«
»Hören Sie«, sagte der Doktor langsam, »ich kenne Ihre Frau seit langem. Sie ist ein sehr sensibler Typ, sie ist eine von jenen Schwachen, denen es nicht gegeben ist, sich zu wehren.«
»Wogegen wehren?« fragte Sass rauh .
»Gegen alles mögliche, gegen das Leben, gegen bestimmte Situationen, gegen bestimmte Menschen.«
»Was verstehen Sie darunter?«
Der Doktor stand auf, als könne er nicht ruhig sitzen.
Er sah den Mann direkt an. »Ich meine, um es genau zu
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