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Unser Doktor

Unser Doktor

Titel: Unser Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Reinecker
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gewisse Höflichkeiten gelten.«
    »Hat dich der Förster erkannt?« fragte der Doktor.
    »Ich weiß es nicht«, murmelte der Mann, »können Sie mir die Dinger herausnehmen?«
    Der Doktor entfernte also die Schrotkugeln, und das Ächzen und Stöhnen des Patienten wurde von den Bemerkungen seiner Kinder begleitet, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen ließen und mit sachkundigen Kommentaren höchstes Interesse bekundeten.
    Ein Pflaster klebte schließlich neben dem anderen, und der Doktor war gerade fertig, als es an die Haustür klopfte.
    Der Mann zog sogleich die Hose über und stand auf. Die Frau und die Kinder — unaufgefordert, und in einer Weise, die eingespielt und routiniert erschien — räumten in Windeseile auf.
    Die Schüssel mit dem blutigen Wasser verschwand, Watte, Tupfer, alles, was auf die Arbeit des Doktors Rückschlüsse erlaubte.
    Wieder klopfte es hart an die Tür.
    Der Mann stand im Raum, kerzengerade, bekämpfte seinen Schmerz und flüsterte: »Doktor, helfen Sie mir. Ich möchte nicht jetzt ins Gefängnis — « flehend setzte er hinzu »- nicht über den Sommer.«
    Die Frau ging, die Tür zu öffnen.
    Der Förster kam herein.
    »Hallo«, sagte der Mann, stand im Zimmer und wagte sich nicht zu rühren, »der Herr Forstmeister. Was verschafft uns die Ehre?« Er wandte sich an die Kinder.
    »Einen Stuhl für den Herrn Forstmeister.«
    Die Kinder rasten durcheinander, beflissen, gespannt, brachten einen Stuhl, starrten den Forstmeister an.
    Der begrüßte den Doktor: »Hallo, Doktor, ich sah Ihren Wagen draußen. Na, dachte ich, da wird doch nichts passiert sein.«
    Die Frau sagte sogleich: »Ein Kind hat’s an den Mandeln, Herr Forstmeister. Das muß am Wetter liegen, mal Sonne, mal Regen. Eins liegt immer im Bett.«
    »Das tut mir leid«, sagte der Forstmeister höflich und sah den Doktor an, »ist so was schlimm, Doktor?«
    Der Doktor grinste etwas. »Es ist Ansichtssache. Sehr schlimm ist es nicht.«
    »Nicht?« sagte der Forstmeister gemütlich und schien ebenfalls die Szene zu genießen. »Und dann läßt man Sie kommen, nachts?«
    Der Doktor hob die Schultern. »Das ist mein Beruf. Und mein Beruf macht mich tolerant.«
    Alle verfolgten das Gespräch zwischen dem Doktor und dem Forstmeister mit höchster Anspannung. Die zahlreichen Kinder standen stumm, aber mit offenen Mündern.
    »Tolerant, so«, sagte der Forstmeister und sah die Kinder an. »Welches Kind hat’s denn nun an den Mandeln?«
    Gleich traten drei Kinder vor. Wie aus einem Munde riefen sie: »Ich.«
    Der Forstmeister grinste: »Eine Epidemie.«
    Die Frau seufzte und sagte matt: »Sie leiden alle ein bißchen daran.«
    »Na«, murmelte der Forstmeister und sah den Doktor an, »dann hat sich’s ja für Sie gelohnt.«
    Der Forstmeister beobachtete den Mann, der regungslos mitten im Zimmer stand.
    Die Frau fühlte einen gefährlichen Moment kommen und sagte:
    »Ein Gläschen Schnaps gefällig?“
    »Ja«, grinste der Forstmeister, »recht gern. Setzen wir uns doch.«
    Der Forstmeister zeigte auf den Tisch in der Ecke, machte eine Handbewegung: »Bitte.«
    Der Mann im Zimmer flüsterte: »Setzen?«
    Der Doktor grinste nun auch. »Willst du stehen, wenn wir sitzen?«
    »Nein«, murmelte der Mann gequält.
    »Setz dich schon«, fuhr die Frau ihren Mann an und stellte eine Flasche Schnaps auf den Tisch.
    Der Mann seufzte auf, der Schweiß stand ihm auf der Stirn, langsam ging er an den Stuhl, zog ihn hervor.
    »Ich hole die Gläser«, sagte er schnell.
    »Ihre Frau hat sie ja schon«, entgegnete der Forstmeister, »nehmen Sie nur Platz.«
    »Ja«, antwortete der Mann schwach und setzte sich langsam.
    Die Kinder sahen wieder mit großem Interesse zu.
    Der Mann setzte sich in vollendet weicher Bewegung. Der Schmerz durchfuhr ihn glühend, er schloß die Augen.
    Der Forstmeister fragte: »Ist Ihnen nicht wohl?«
    »Doch, doch«, antwortete der Mann schwach.
    »Seine Kinder haben’s an den Mandeln, und ihm bricht der Schweiß aus«, sagte der Forstmeister und wunderte sich.
    »Mir ist ein wenig heiß«, murmelte der Mann, »trinkt euern Schnaps, ihr Herren, und kümmert euch nicht um mich.«
    Aber der Forstmeister schien Zeit zu haben. Immer wieder versuchte der Mann aufzustehen, aber der Forstmeister drückte ihn zurück auf den Stuhl.
    »Bleiben Sie nur hier«, sagte er, »es fängt an, gemütlich zu werden.«
    Der Forstmeister und der Doktor sprachen dem Schnaps kräftig zu, während der Mann auf dem Stuhl saß und gequält

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