Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)
Gefühl der Kommunikation vermitteln (Grundlage Nummer 1) und indem sie beim Geräusch der (stimmlichen) Aktivität anderer Menschen motorische Programme aktivieren, sodass wir fühlen können, was sie sagen (Grundlage Nummer 2). Der Umstand, dass Spiegelneuronen bereits bei Affen vorhanden sind, bedeutet, dass die langsam sich entwickelnden Menschen bereits eine Grundlage besaßen, um die gesprochenen Sequenzen anderer mit ihren motorischen Programmen zur Hervorbringung dieser Sequenzen zu verknüpfen. Es sei noch einmal gesagt, Spiegelneuronen allein reichen für den Spracherwerb nicht aus – wie die Tatsache zeigt, dass Affen nicht sprechen. Dazu sind offensichtlich weitere Veränderungen im Gehirn, wie zum Beispiel die FOXP 2-Mutationen, erforderlich. Doch frei nach einem Ausspruch Louis Pasteurs, der der wissenschaftlichen Entdeckung galt, begünstigt der Zufall auch in der Sprachevolution den vorbereiteten Geist. Ich meine, dass die Gehirne früher Menschen durch die Verknüpfung der Laute motorischer Programme mit ihrer Ausführung für bestimmte Zufallsmutationen vorbereitet waren, die ihnen die Sprache ermöglichten. Ohne die Vorbereitung durch Spiegelneuronen hätten diese Mutationen es nicht bewirken können.
In den kommenden Jahren wird eine entscheidende Frage lauten, welche Mutationen erforderlich sind, um das auditive Spiegelsystem des Affen in ein spezialisiertes Sprachsystem zu verwandeln. Ein interessanter Ausgangspunkt könnte die Entwicklung des Lallens sein. Im Alter von etwa fünf Monaten beginnen menschliche Babys mit dem Mund scheinbar zufällige Laute zu produzieren. Sie spielen mit ihrem Stimmapparat ganz so, wie ein Kind mit einem Klavier spielt, wenn es die Tasten zufällig anschlägt, um zu sehen, was sie bewirken. Jedes Mal, wenn der Säugling auf eine der imaginären Knöpfe seines motorischen Systems drückt und einen Laut erzeugt, werden der Laut und das motorische Programm miteinander verknüpft, weil sie sich gleichzeitig ereignen – so wie der Pawlow’sche Hund den Klang einer Glocke mit Nahrung assoziierte, weil die beiden stets gleichzeitig auftraten. Wenn der Säugling später seinen Vater immer wieder Daddy sagen hört, wird dieses Wort einige der Phoneme enthalten, die der Säugling während des Lallens zufällig hervorgebracht hat. Wie der Klang der Glocke Pawlows Hund zur Speichelabsonderung veranlasste, aktiviert hier der Laut der Phoneme die motorischen Programme, die das Kind mit ähnlich klingenden Phonemen während der Lall-Phase verknüpft hat. Daher kann es jetzt das Wort sowohl tatsächlich (»overt«) wiederholen, was wichtig für das Sprechenlernen ist (und Papa sehr stolz macht), als auch im Geiste wiederholen, was Libermans motorische Sprachtheorie verlangt. Für die Sprachevolution war es also vermutlich kaum von Bedeutung, welche Motoneuronen auf welche Sprachlaute reagierten. Sie musste die Babys der frühen Menschen nur mit dem Impuls ausstatten, sich spielerisch mit ihrem Vokaltrakt zu beschäftigen. Den Rest besorgte das einfache Lernen, zu dem selbst Pawlows Hunde fähig waren.
Grundlage Nr. 3: Verknüpfung von Bedeutungen und Wörtern
Nach unserem evolutionären Szenario lernten die Frühmenschen zunächst, sich durch lautmalende und dann durch willkürliche Wörter zu verständigen. Lallen mag ihr Gehirn trainieren, diese Wörter nachzuahmen, es erklärt aber nicht, wie das Gehirn sie mit Bedeutungen verknüpft. Wenn nicht alle Mitglieder einer Gemeinschaft die gleichen Bedeutungen mit den verwendeten Wörtern assoziieren, bricht die Kommunikation zusammen. Abermals werfen die Spiegelneuronen Licht auf die Frage, wie das Gehirn zu dieser Fähigkeit gekommen sein könnte.
Für lautmalende Wörter wie »krachen« oder »brüllen« dürfte die Bedeutungsverknüpfung für ein Gehirn mit Spiegelneuronen besonders leicht sein. Wenn Sie schon einmal Gegenstände zerbrochen und das charakteristische »Krachen« gehört haben, dürften Ihre auditiven Spiegelneuronen das Geräusch der Aktivität bereits mit der Aktivität selbst verknüpft haben. Wenn Sie jetzt das ähnlich klingende Wort »krachen« hören, aktiviert es möglicherweise das motorische Programm für Zerbrechen durch die bloße physikalische Ähnlichkeit mit dem Geräusch, das die Tätigkeit verursachte, als Sie sie in der Vergangenheit verrichteten. Folglich fühlen Sie den Drang, etwas zu zerbrechen – und genau das möchte Ihr Gesprächspartner mitteilen. Für Wörter wie »brüllen«
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