Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)
Region, in der wir bei Affen auditive Spiegelneuronen gefunden haben. 9, 37, 38
Eine zweite Forschungsrichtung, bei der der transkranielle Magnetstimulator ( TMS ) eingesetzt wird, lässt ebenfalls auf eine Verknüpfung zwischen Spiegelneuronen und akustischer Sprachwahrnehmung schließen. 2003, als ich in Parma war, nahm ich an einer solchen Studie teil. Giovanni Buccino, einer meiner Kollegen, ließ mich in einem Sessel Platz nehmen, der aussah wie ein Zahnarztstuhl, steckte mir einen Löffel in den Mund und drückte mir eine Badekappe auf den Kopf. Ich kam mir ein bisschen töricht vor und fragte ihn, was der Löffel sollte. »Ich habe daran zwei kleine Elektroden angebracht, damit ich die Aktivität deiner Zungenmuskeln messen kann«, sagte er mit amüsiertem Lächeln. Dann setzte er mir eine schmetterlingsförmige TMS -Spule auf, ähnlich derjenigen, die Lisa Aziz-Zadeh für die Experimente über Handlungsgeräusche verwendet hatte (Kapitel 3). »Entspann dich und hör genau auf die Wörter.« Nachdem er den Raum verlassen hatte, hörte ich eine Stimme Wörter sagen wie »baffo« und »birra«. Auf jedes Wort folgte das charakteristische »Tock« der Magnetspule. Manchmal spürte ich meine Zunge zucken. Hundert Wörter später öffnete Giovanni die Tür, nahm mir den Löffel aus dem Mund und erklärte, was er tat.
Giovanni und Luciano Fadiga, der brillante italienische Neurophysiologe, der in Parma als Erster das Spiegelsystem mit TMS erforscht hatte, gingen von unseren Arbeiten über Spiegelneuronen bei Affen aus und wollten untersuchen, ob das Hören eines Wortes wie »birra«, das ein hohes Maß an Zungenbewegung erfordert, tatsächlich, wie von Libermans Theorie vorhergesagt, die Zunge eines Zuhörenden in Bewegung versetzt. Genau dies geschah. Die akustische Darbietung eines Wortes mit »rr« reichte aus, um mit der Unterstützung von TMS die Zungenbewegungen der Versuchspersonen – auch der meinen – zu bahnen, wohingegen ein »ff«, an dem die Zunge nicht beteiligt ist, dazu nicht imstande war. 39 Menschen verwandeln also die verbalen Äußerungen, die sie hören, tatsächlich in das motorische Programm, das sie verwenden würden, um diese Äußerungen hervorzubringen.
Zusammen mit den f MRT -Resultaten ergibt sich daraus, dass wir tatsächlich motorische Programme aktivieren, während wir anderen beim Sprechen zuhören, doch es stellt sich die Frage, ob wir diese Aktivierung brauchen, um zu verstehen, was sie sagen. Die Antwort scheint Ja zu sein – zumindest manchmal. Seit vielen Jahren beobachten Neurologen, dass Patienten mit einer Schädigung des linken prämotorischen Kortex, der ihre Mundbewegungen steuert, Probleme bei der Wahrnehmung von Phonemen haben, besonders, wenn die Unterscheidung etwa wegen einer geräuschvollen Umgebung schwerfällt. In jüngerer Zeit hat man die Aktivität dieser Region bei gesunden Versuchspersonen mit Hilfe der Magnetstimulation unterbrochen. Die Wirkung dieser Intervention dauerte nur einige Minuten an, doch während dieser Zeit war die Phonemerkennung der Teilnehmer beeinträchtigt. 40 Wurden sie jedoch aufgefordert, einfache Laute zu unterscheiden, zeigten sich keine Defizite.
Trotzdem brauchen wir das motorische System nicht immer, um zu erkennen, was andere Menschen sagen. Wenn wir das Wort dad (»Papa«) unter idealen akustischen Bedingungen hören, können wir uns auf Repräsentationen des Wortes in unserem akustischen Gedächtnis verlassen, so wie wir die Melodie unseres Handys erkennen, ohne sie in ihre einzelnen Töne zerlegen zu müssen. Obwohl das angesichts der Unterschiede zwischen einzelnen Sprechern schwierig ist, kann man Chinchillas, kleinen, pelzigen Nagern aus den Anden, die Fähigkeit antrainieren, fast wie Menschen zwischen /d/ und /t/ zu unterscheiden – obwohl sie keinen der beiden Laute hervorbringen und sich daher auch nicht auf motorische Simulation stützen können. 41 Immer wenn die Unterschiede sprachlicher Äußerungen fein und schwierig sind, wenn es beispielsweise zu unterscheiden gilt, ob jemand auf einer Cocktailparty gesagt hat »Er braucht Tabletten« oder »Er raucht Zigaretten«, ist es für den Hörer von entscheidender Bedeutung, die Laute auf seinen motorischen Programmen abzubilden. In den mühsamen Anfangsstadien der Sprachevolution dürften diese Spiegel-Abgleich-Mechanismen von besonderer Bedeutung für die Spracherkennung gewesen sein.
So können Spiegelneuronen zur Sprachentwicklung beitragen, indem sie ein
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