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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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Emotionen anderer Menschen darbieten, um festzustellen, ob der Anblick von Emotionen anderer bei ihm Teile der für das Gefühlserleben zuständigen Schaltkreise aktiviert.«
    »Vollkommen richtig«, erwiderte Bruno, der offensichtlich genau dasgleiche gedacht hatte. »Dabei gibt es allerdings zwei Probleme. Erstens müssen wir mindestens zwei Emotionen finden, die verschiedene Aktivitätsmuster im Gehirn aufweisen, und zweitens müssen wir eine Methode entwickeln, diese Emotionen im Scanner auszulösen.«
    Er hatte recht. Um das Vorliegen bestimmter Spiegelungen mit Hilfe von f MRT nachzuweisen, brauchten wir mindestens zwei Emotionen, die unterscheidbare Hirnaktivität hervorrufen. Beim auditiven Spiegelsystem hatten wir in unseren Experimenten Selektivität nachgewiesen, da das Geräusch von Handaktivitäten Areale aktivierte, die für die Ausführung von Handaktivitäten zuständig sind, und das Geräusch von Mundaktivitäten Areale aktivierte, die an der Ausführung von Mundaktivitäten beteiligt sind.
    Leider sind die meisten Emotionen im Scanner nur sehr schwer auszulösen. Für Emotionen wie Glück, Furcht oder Traurigkeit lässt sich kein Mittel ersinnen, um sie wiederholt im Scanner hervorzurufen. Nach einigem Nachdenken waren wir uns einig, dass Ekel wohl die geeignetste Emotion für ein solches Experiment sei. »Ich kenne einen Forscher namens Royet, der sich auf Olfaktion spezialisiert hat. Ich glaube, er hat einen Apparat entwickelt, mit dem sich Gerüche im Scanner kontrolliert darbieten lassen. Wir könnten unangenehme Gerüche verwenden, die Ekelgefühle auslösen, und sie mit der Wirkung angenehmer Gerüche vergleichen.«
    Um also die Frage des Technikers zu beantworten – das, was da stinkt, ist das Mittel zur Auslösung von Emotionen im Scanner: kleine Plastikflaschen mit Wattebäuschen, die mit verschiedenen, stark riechenden Stoffen getränkt sind. In einigen Fällen sind es angenehme Düfte wie Stachelbeere oder Minze, in anderen, höchst unangenehm riechende Substanzen wie Buttersäure oder Furfurylmercaptan, die wie ranzige Butter beziehungsweise verfaulte Eier riechen.
    Valeria ist unser erstes Versuchskaninchen. Royet bindet ihr eine Anästhesiemaske vor den Mund, und der Techniker schiebt sie in den Scanner. Zunächst sieht sie eine Reihe von Filmen, in denen Schauspieler am Inhalt eines Glases riechen. In einigen zeigt der Schauspieler keine bestimmte Reaktion. Das sind unsere neutralen Filme. In anderen macht der Darsteller ein angeekeltes Gesicht: Er zieht die Nase kraus und entfernt sich rasch von dem Glas. Im dritten Film hebt er die Augenbrauen und zeigt ein leises Lächeln der Anerkennung, als wollte er sagen: »Wirklich, ein edler Tropfen!« Dann erfährt Valeria, warum sie die Anästhesiemaske trägt. Royet quetscht den Inhalt verschiedener Flaschen in einen Gummischlauch, der mit der Maske verbunden ist, und die widerlichen Gerüche von verfaulten Eiern oder ranziger Butter beziehungsweise die vergleichsweise angenehmen von Erdbeeren oder Minze lassen Valeria die gleiche Achterbahn der Gefühle durchleben wie die Schauspieler in den Filmen.
    In diesem Experiment wirken die angenehmen Gerüche und die Filme, die angenehm berührte Schauspieler zeigen, nicht so positiv wie die negativen Darbietungen negativ. Dieses Ergebnis ist unvermeidlich, weil positive Emotionen in Reaktion auf den Inhalt eines Glases niemals so intensiv sein können wie negative Emotionen unter den gleichen Bedingungen. Es gibt Beispiele für extrem positive olfaktorische Erfahrungen – beispielsweise kann uns im Stadium erster Verliebtheit das Parfüm der Geliebten in Ekstase versetzen –, doch die extrem positiven Gefühle, die wir in solchen Fällen empfinden, werden nicht direkt durch das Geruchserlebnis, sondern durch die mit ihm assoziierten Erfahrungen ausgelöst. Gerüche an sich können intensiven Ekel, aber nur gemäßigtes Vergnügen hervorrufen. Daher geht es uns in erster Linie darum, die Hirnregionen zu finden, die auf das Erlebnis und die Beobachtung einer unter olfaktorischen und visuellen Versuchsbedingungen heftigen Form von Ekel reagieren. Außerdem möchten wir zeigen, dass diese Regionen bei positiven Emotionen, die als Kontrollbedingung dienen, weniger aktiv sind.
    Nach einer Reihe angenehmer und weniger angenehmer Gerüche ist das Experiment beendet. »Einige dieser Gerüche sind schrecklich!«, sagt Valeria. »Einmal hätte ich mich fast übergeben.« Der olfaktorische Teil des

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