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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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neuronaler Aktivität nachempfindet – unter anderem die Repräsentationen ihrer physischen Handlungen, Gefühle und Gesichtsausdrücke.
    Das Mitempfinden von Gesichtsausdrücken ist entscheidend für das Verständnis der Emotionen anderer Menschen
    Ralph Adolphs und seine Kollege in Iowa haben viele Patienten mit umschriebenen Hirnläsionen untersucht. 60 Ihre Testpersonen hatten Schlaganfälle oder andere Hirnschädigungen erlitten und sich bereit erklärt, an psychologischen Experimenten teilzunehmen. Man legte ihnen verschiedene Fotografien von Gesichtern vor, die emotionale Ausdrücke zeigten, und forderte sie auf, die Bilder nach dem Ausmaß an Zorn, Furcht, Glück und so fort einzustufen. Die Forscher stellten fest, dass nur ein kleiner Anteil der Patienten Probleme hatte, die Emotionen anderer Menschen anhand des Gesichtsausdrucks zu identifizieren. Die Forscher verglichen die Lokalisation der Hirnläsion bei diesen beeinträchtigten Teilnehmern mit der Lokalisation der Schädigungen bei den Teilnehmern, die Emotionen problemlos identifizieren konnten. Wie sich herausstellte, schienen die Teilnehmer mit Problemen Läsionen im prämotorischen Kortex der rechten Hemisphäre zu haben – genau dort, wo Christiaan van der Gaag neuronale Aktivität nachgewiesen hatte, während seine Teilnehmer Gesichtsausdrücke sahen und ausführten. Eine Schädigung des gesichtsmotorischen Systems scheint also die Fähigkeit zur Erkennung von Gesichtsausdrücken zu beeinträchtigen. Während wir den Gesichtsausdruck anderer Personen beobachten, können wir offenbar ihre inneren Zustände nur deuten, wenn wir die Bewegungen ihres Gesichts innerlich simulieren können.
    Gesichtsmimikry löst Gefühlsansteckung aus
    Emotionen und motorisches System sind vielfältig miteinander verschaltet. Welches Buchstabenpaar mögen Sie beispielsweise lieber: FV oder FJ ? Wie sich herausgestellt hat, hängt Ihre Antwort davon ab, wie viel Zeit Sie hinter einer Computertastatur verbringen. Bei häufigem Tastaturgebrauch gefällt Ihnen FJ wahrscheinlich besser als FV ; einfach weil sich FJ besser tippen lässt, nimmt man dazu doch die Finger verschiedener Hände. 61 Die meisten Menschen mit dieser Präferenz sind sich über den wahren Grund im Unklaren – ihr motorisches System entscheidet über ihre emotionale Vorliebe. Bei Menschen, die Tastaturen nur selten benutzen, ist diese Präferenz nicht zu beobachten.
    Mbemba Jabbi untersuchte nun, ob es eine Verbindung gibt zwischen der Aktivierung im kalten motorischen Kontrollsystem und der Aktivierung von Gefühlen in der Insel, die Gesichtsausdrücke begleiten. Wenn Teilnehmer Filmsequenzen von Gesichtsausdrücken sahen, war ihre Aktivität in der Insel und im prämotorischen Kortex nicht immer gleich. In einigen Versuchsreihen aktivierten die angeekelten Gesichter die Insel stärker, in anderen schwächer. Genauso verhielt es sich bei den prämotorischen Programmen für Gesichtsausdrücke. Wenn sich das Miterleben von Gesichtsbewegungen im kalten motorischen System unabhängig vom Mitempfinden der Emotionen in der Insel vollzöge, wären bei Versuchen mit erhöhter Insel-Aktivität nicht unbedingt auch stärkere Reaktionen im kalten motorischen System zu erwarten. Wenn die beiden Prozesse dagegen miteinander verbunden wären, müsste verstärkte Aktivität in der Insel mit entsprechender Aktivität im kalten motorischen Kontrollsystem einhergehen.
    Beobachteten die Versuchspersonen neutrale Gesichtsbewegungen, etwa jemanden, der durch einen Strohhalm trank, gab es, wie Mbemba feststellte, keine Verbindung zwischen der Insel und dem kalten motorischen System. Sahen die Teilnehmer hingegen angeekelte oder erfreute Gesichtsausdrücke, waren die beiden Systeme miteinander verbunden. Immer wenn der prämotorische Kortex gesichtsmotorische Programme intensiv aktiviert hatte, löste die Insel auch starke viszerale Gefühle aus. Interessanterweise hatte starke neuronale Aktivität im prämotorischen Kortex größeren Vorhersagewert für Aktivität in der Insel als umgekehrt, was den Schluss nahelegt, dass unser Gehirn zunächst im prämotorischen Kortex simuliert, was im Gesicht des anderen vorgeht, und dass sich dann die Insel einschaltet, um uns die Gefühle des anderen mitempfinden zu lassen. 62
    Mit einem Pokerface Emotionen nachempfinden
    Das Gehirn scheint Gesichtsbewegungen – egal, ob emotional oder nicht – mit Hilfe des kalten motorischen Systems zu simulieren. Wenn der Gesichtsausdruck eine

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