Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)
unwillkürliche emotionale Verhaltensweisen. Das Kräuseln der Nase, wenn Sie einen üblen Geruch wahrnehmen, das verzogene Gesicht, wenn Sie Schmerz empfinden, und das Lachen, wenn Sie etwas Komisches hören – all das wird von diesen medialen Regionen kontrolliert. Ich nenne dieses System das »warme« motorische System, weil es die Wärme des emotionalen Affekts in beobachtbares Verhalten des Gesichts und des Körpers umwandelt.
Das warme und das kalte gesichtsmotorische System senden ihren Output direkt an den Kern in der Hirnbasis, der die Gesichtsmuskeln steuert – sie sind für dieselben Muskeln zuständig, haben aber unabhängige Repräsentationen motorischer Programme. Die Speicherung warmer und kalter motorischer Programme in getrennten kortikalen Regionen bedeutet, dass wir das motorische Programm für emotionales Lächeln nicht willkürlich aktivieren können. Wenn wir ein Lächeln vortäuschen wollen, müssen wir ein neues motorisches Programm anlegen, das bewusst die Bewegungssequenz der vom warmen motorischen Programm verwendeten Muskeln reproduziert, und das Ergebnis wird immer wie eine schlechte Reproduktion aussehen.
Dass die beiden Gesichtskontrollsysteme voneinander unabhängig sind, zeigt sich sehr deutlich nach bestimmten Läsionen. Schädigungen, die das kalte Gesichtsausdruckssystem beeinträchtigen, nehmen den Betroffenen die Fähigkeit, ihr Gesicht willkürlich zu bewegen. Wenn Sie einem solchen Patienten einen guten Witz erzählen, lacht oder lächelt er, obwohl er nicht in der Lage ist, ein Lächeln vorzutäuschen oder sein Gesicht absichtlich zu bewegen. Umgekehrt verhält es sich nach Schädigungen des warmen motorischen Kontrollsystems. Diese Patienten können ihr Gesicht willkürlich bewegen, während es bei Gefühlserlebnissen unbewegt bleibt.
Aber was geschieht beim Anblick der Gesichtsausdrücke anderer, wenn wir zwei motorische Systeme zur Steuerung unserer Gesichtsmuskeln haben? Diese Frage untersuchte ich mit meinem Freund Christiaan van der Gaag. 59
Mit f MRT maßen wir die Gehirnaktivität von Versuchsteilnehmern, die sich kurze Videoclips von lachenden und von angeekelt oder ängstlich aussehenden Schauspielern ansahen. Während die Versuchspersonen im Scanner lagen, forderten wir sie auf, bestimmte Gesichtsausdrücke hervorzurufen und sich in die entsprechende Gefühlslage zu versetzen, sodass sie zur Aktivierung des warmen und kalten motorischen Kontrollsystems gezwungen waren. Wenn es ein Spiegelsystem für Gesichtsausdrücke gibt, mussten Teile des warmen und/oder kalten motorischen Systems durch den Anblick der Gesichtsausdrücke anderer Personen aktiviert werden. Wie erwartet, erwies sich, dass die Beobachtung all dieser Gesichtsausdrücke einen Schaltkreis aktivierte, der auch aktiv war, wenn die Teilnehmer gebeten wurden, ähnliche Gesichtsausdrücke zu machen. Dieser gemeinsame Schaltkreis für die Beobachtung und Ausführung von Gesichtsausdrücken betraf drei wichtige Regionen: den temporalen Kortex, der eine visuelle Beschreibung der beobachteten Gesichtsausdrücke liefert; den prämotorischen Kortex, der zum kalten motorischen Kontrollsystem gehört; und Regionen entlang des Sulcus cinguli, der Teil des warmen motorischen Kortex ist.
Der kalte Teil dieses gemeinsamen Schaltkreises ähnelte der Region, die in Valerias Experimenten bei den Geräuschen und der Verrichtung von Mundaktivitäten aktiv gewesen war. 9 Beide umfassten Areale des Temporallappens und des prämotorischen Kortex. Gleichzeitig aktivierte der Anblick von Gesichtsausdrücken auch das warme motorische Kontrollsystem entlang der Mittellinie des Gehirns. Die Aktivierung war bei emotionaler Mimik stärker als bei Gesichtsbewegungen ohne emotionalen Ausdruck.
Interessanterweise war der primär motorische Kortex, der die stärksten und direktesten Verbindungen zu den Gesichtsmuskeln aufweist, nur aktiv, wenn die Teilnehmer Gesichtsausdrücke ausführten, aber nicht, wenn sie die anderer beobachteten.
Wenn wir Gesichtsausdrücke beobachten, müssen wir einerseits eine neuronale Repräsentation ähnlicher Gefühle in der Insel aktivieren und andererseits einen ähnlichen Gesichtsausdruck in unserem kalten und warmen motorischen Kortex. Diese Ergebnisse haben die Revolution, die durch die Entdeckung der Spiegelneuronen ausgelöst wurde, einen Schritt weiter gebracht. So zeigt sich, dass unser Gehirn, wenn wir das Verhalten anderer Menschen beobachten, diesen offenbar ein vielfältiges Mosaik
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