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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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Bereiche der Väter und der Jungen waren getrennt, sodass gegenseitig kein Einblick möglich war. Wolfgangs Einwand soll Trost spenden und beruhigen.
    Gudrun ist lange überzeugt, dass ihr Vater nichts Böses getan hat; später quält sie sich mit der Frage, ob tatsächlich etwas geschah mit dem Papa. Erinnern kann sie sich nicht, und so geht sie auf Spurensuche. Eine ihrer Schwestern gesteht ihr, von Kurt Schnellenkamp vor Gericht zu dieser Aussage gedrängt worden zu sein. Schnellenkamp habe ihr seinen Traum erzählt, in dem Wilhelm Wagner seiner eigenen Tochter zu nahe tritt. Träume sind direkte Botschaften von Gott, glauben immer noch viele in derGemeinschaft. Aber warum sollte Gott gerade Schnellenkamp als Überbringer dieser Nachricht auswählen? Dass Träume auch gefälscht werden von bösen Menschen, konnte sich das niemand vorstellen? Dann schreibt Gudrun einen Brief an die Schwester, die damals den ersten Stein auf den Vater warf. Diese lebt noch in Chile. Die Schwester antwortet, dass sie ihren Frieden mit Gott gemacht habe. Darüber hinaus sei sie niemandem Rechenschaft schuldig.
    Gudruns Bruder Basti erfährt erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland, dass der Vater im Gefängnis war. So aufgespalten war die Welt, die Paul Schäfer sich mit seinen willigen Helfern errichtet hatte, dass fünfzig Jahre lang nicht einmal diese Information von Schwester zu Bruder wandern konnte.
    Gudruns jüngste Schwester Hedi hat inzwischen vier Kinder. Die sechs Geschwister in der Kolonie bekamen dort kein einziges. Hedi hat alle Zeitungsartikel über ihre Familie gelesen. Sie weiß, dass Schäfer ihre Schwestern benutzt hat, um ihrer Mutter das Sorgerecht für sie zu entziehen. Mit der Begründung, der Vater hätte sich auch an ihr vergangen. »Nein«, sagt Hedi, »der Papa hat mir nie was getan.«
    Die ganze Wahrheit wird wohl nicht ans Licht kommen. Vielleicht aber wird sich eines Tages doch jemand dieser Familiengeheimnisse annehmen – möglicherweise die nächste Generation: Nach Schäfers Verurteilung heiratete auch Gudruns Bruder Basti, noch in der Kolonie. Inzwischen ist er Vater geworden.

KAPITEL 24
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Heimkehr in ein fremdes Land
    U m den Überlebenden den Weg in eine freiere Welt zu ermöglichen, bieten das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in Chile den Kolonisten in der Villa Baviera seit 2005 Information und Beratung an.
    Doch immer noch fehlt das politische Eingeständnis von Versäumnis und Verwicklung in die Machenschaften der Kolonie zur Zeit des Putsches und der Militärdiktatur von Augusto Pinochet. Schon im Mai 1977 machte Amnesty International die Verbrechen der Colonia Dignidad öffentlich. 76 Dass Schäfers Straftaten dem Auswärtigen Amt in Bonn aber schon 1966 bekannt waren, belegt Bärbel Günz in ihrer Diplomarbeit über die Anfänge der Sekte in Deutschland. 77 1988 förderte eine Bundestagsanhörung weitere Menschenrechtsverletzungen zutage. 1993 erschien die Dokumentation von F. P. Heller über die Colonia Dignidad als Folterlager. Heller beobachtet die Sekte von den Siebzigerjahren Jahren bis heute. 78
    Da die Colonia Dignidad in Waffengeschäfte und andere wirtschaftliche und politische Interessen verschiedener Länder verwickelt ist, bringen Nachforschungen einen auch in die Nähe anderer abgeschotteter Systeme – Botschaften, Auswärtige Ämter, Geheimdienste – und ihrer Darstellung von Wirklichkeit. Diese Ämter haben ihre Akten nur bedingt geöffnet. Obwohl inzwischen auch die Bundesrepublik Deutschland gesetzlich verpflichtet ist, nach dreißig Jahren Einblick in geheime Staatsakten zu gewähren, wird dieser immer wieder verwehrt, wenn es um die Colonia Dignidad geht. Warum? »Um die Opfer zu schützen«, isteine Antwort. Die Wahrheit nicht auszusprechen, war noch nie ein guter Opferschutz. Nachgefragt hat auch der Berliner Doktorand Jan Stehle. Seit 2008 forscht er über »Deutsche Außenpolitik und Menschenrechte: Der Fall Colonia Dignidad«. Die ablehnende Antwort des Auswärtigen Amtes ( AA ): »Einsichtnahme in die Archivakten […] ist geeignet, […] der deutsch-chilenischen Zusammenarbeit schweren, möglicherweise irreparablen Schaden zuzufügen.« Zwei Klagen beim Berliner Verwaltungsgericht und zwei Jahre später – kurz nach der Flucht von Hartmut Hopp aus Chile – gab das AA nach. Nun darf der Forscher der Freien Universität Berlin zweihundert bis dreihundert Aktenbände durchlesen. Kopien darf er nicht anfertigen.
    So scheint die Geschichte zweier

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