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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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in München Gladbach in Verbindung setzt, das ist unvorstellbar für sie.
    »Was hab ich denn falsch gemacht?«, fragt sie.
    »Na, denk mal nach«, sagt er und wendet sich den anderen zu. »Heute ist eine weise Frau bei uns«, sagt er und stellt Frau Werner aus Gerstetten vor. Möglichst laut sagt er das, »so eine wie die weisen Frauen in der Bibel, die die Jugend lehrten und ihr ein Vorbild waren.«
    Aus den Fotos in Ida Gatz’ Album lächelt eine stämmige Matrone mit Dutt und Kittelschürze zwischen Hühnern, Schafen, Schweinen und Kühen in die Kamera, eben jene weise Witwe. Natürlich gefällt es der Frau Werner, die alle schon bald Omi Gerstetten nennen, dass sie nun eine weise Frau sein soll, die das Sagen hat und jungen Mädchen den Weg weist. Welcher einsamen älteren Witwe gefiele das nicht? Schäfer wiederum gefällt es, dass Frau Werner vermögend ist. Und noch mehr gefällt es ihm, dass sie sich offenbar recht leicht von dieser Last zu trennen vermag. Wozu braucht sie überhaupt Immobilien?
Auf Teufel komm raus
    Nun ist Ida also schuldig geworden. Zwar versteht sie den Grund für Schäfers Zorn nicht, aber das muss an ihr liegen. Am liebsten würde sie sich in das winzige Zweipersonenzelt verkriechen, das sie mit ihrer Schwester teilt. Aber Ida ist entschlossen, auch das durchzustehen. Sie fastet acht Tage. Und da auf dieser Freizeit in Zang auch Teufel ausgetrieben werden, stellt sie sich am Ende des achten Tages mit in die Reihe und lässt austreiben. Verborgenunter einer kleinen Scheune auf dem Hof der Böcklers liegt ein Keller, ganz dick mit Stroh ausgepolstert und schalldicht gemacht. Dort werden die Teufel ausgetrieben.
    Ich muss wohl auch die Teufel in mir haben, denkt Ida, dass es mit mir so gar nicht klappt und ich schon wieder schuldig geworden bin. Irgendwie bin ich nicht auf Linie, immer ist mein Gebet leer und wird kritisiert. Warum schaffe ich es nicht, richtig drin zu sein in der Gemeinschaft, warum bin ich immer noch außen vor? Mein Verstand ist mir im Weg, sagt Paul. Jetzt gehe ich auch in diesen Keller hinunter und lass meine Teufel austreiben.
    In einer langen Schlange warten alle geduldig, einer nach dem anderen betritt den schalldichten Kellerraum und wird gesondert behandelt. Endlich ist auch Ida dran. Still sitzt sie da. Nach acht Tagen Fasten ist sie mürbe geworden. Jetzt noch den Teufel raus, denkt sie. Dann ist alles Böse in mir weg.
    Die »Brüder« rufen: »Teufel, fahr aus! Du böser Geist …!« Es folgen schreiende, ekstatische Gebete, bis Ida ganz wirr im Kopf ist, dann legen sie ihr die Hände auf. Ida bringt auch das hinter sich und denkt: Nun kannst du das Fasten abbrechen, kannst endlich wieder essen, und die Teufel sind weg.
    Die Teufel sind weg? Aber woran merkt sie das?
    Gemerkt hat sie nichts. Eigentlich fühlt sie sich hinterher nicht anders als vorher. Sie nimmt nur an, dass die Teufel weg sind. Die Brüder werden es schon wissen, denkt sie, sonst würden sie ja nicht aufhören. Aber vor allem hat sie Hunger nach acht Tagen ohne Essen. Die Teufelsaustreibung ist die Absolution, nun darf sie wieder essen.
    Es wird überhaupt sehr viel gefastet. Gerhard Mücke fastet mehr als dreißig Tage. Gerhard folgt Schäfer schon seit Gartow. Per Gerichtsbeschluss gegen seinen Vater, einen Polizeiwachtmeister, hat er durchgesetzt, dass Paul Schäfer sein Vormund wird. Es geht das Gerücht, dass Schäfer ihn einmal zu sechzig Tagen Fasten verurteilt hat. Er hätte sterben können. Viele fasten wegen sexueller Probleme. Oder was sie dafür halten. Irgendwann geht dann auch dieser Appetit weg.
    In Schäfers Augen ist Fasten ein Universalheilmittel. Jedenfalls für andere. Als Idas kleiner Bruder zum ersten Mal an einer Freizeit teilnimmt, befiehlt Schäfer, auch den Bruder fasten zu lassen. Doch da zieht Ida die Grenze. Familie geht ihr über alles, und eines Tages wird das ihre Rettung sein. »Das kommt nicht infrage!«, lässt sie ihre Empörung auf Schäfer los. »Der fastet nicht! Der ist klapperdürr, der sieht schon jetzt so elend aus. Was werden die Eltern sagen, wenn der hier noch mehr verhungert?«
    Was soll das Fasten überhaupt? Viele, die es probiert haben, wissen, dass längeres Fasten das logische Denkvermögen beeinträchtigen kann. Manchmal zugunsten anregender Halluzinationen, die aber wenig alltagstauglich sind. Deshalb sorgt Schäfer gern dafür, dass die anderen fasten. Er aber nicht.
    Nach dieser Freizeit wird Ida von Schäfer zur Familie Baar

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