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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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Interesse, Regentropfen zu zählen, wenn ich einschlafe, oder will ich auf einem Strohsack liegen, der vom Regen feucht ist? Nur Sachen, die meinem ästhetischen Lebensgefühl völlig zuwider sind. Ich war schon als Kind ein bisschen etepetete und habe auf Sauberkeit und Ordnung geachtet. Als Zwölfjähriger habe ich Schuhe mit weißen Blessen getragen und bin mit meiner Mutter nicht auf die Straße gegangen, wenn mir ihr Hut nicht gefallen hat. Ich habe so lange unter dem Bett gelegen, bis meine Mutter einen anderen Hut aufgesetzt hat. Ich hatte also ganz bestimmte ästhetische Vorstellungen, und wenn die nicht erfüllt wurden, wurde ich rebellisch.
    Die Flucht zu dritt, von der Wolfgang Müller erzählt, findet nicht statt. Im Laufe der Jahre gibt es mindestens zwanzig Fluchtversuche. Aber mehr als zwei schaffen es nie gemeinsam. Zu groß ist die Angst vor Betrug und Verrat.

KAPITEL 10
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Die Erde untertan
    1962
Kuba-Krise; Spiegel -Affäre.
Politik: US -Handelsembargo über Kuba.
Peter Fechter (18) bei Fluchtversuch über Berliner Mauer erschossen.
Gesellschaft: Adolf Eichmann in Tel Aviv hingerichtet;
Marilyn Monroe tot aufgefunden; Contergan-Skandal . Schlager: Junge, komm bald wieder (Freddy Quinn).
Im Kino: Frühstück bei Tiffany; Cleopatra .
TV -Serie: Das Halstuch (Francis Durbridge).
Theater: Die Physiker (Friedrich Dürrenmatt).
Werbung: Puschkin – für harte Männer.
    Vier Monate nachdem Wolfgang mit dem Flugzeug in Chile gelandet ist und sich plötzlich und unvorbereitet in einem vollkommen fremden Erdteil wiederfand, erfährt er, dass im Februar 1962 ein Schiff mit siebzig Personen aus Deutschland ankommen wird. Jetzt ist es November, im Oktober wurde Wolfgang fünfzehn, aber Geburtstage feiert man nicht mehr. Man arbeitet. Vier Monate noch, dann kommt sie, denkt er. Dann hat sich alles gelohnt. Kurze Gedanken, vorüberflackernde Bilder, mehr kann Wolfgang nicht an Schäfer vorbeischmuggeln, der ihn auch innerlich besetzt hält.
    Die Arbeit verdrängt alles. In vier Monaten müssen sie nun Quartiere für die Neuankömmlinge schaffen. Sie arbeiten Tag und Nacht, bauen große Holzschuppen, die innen verschalt und provisorisch angestrichen werden. Sie arbeiten im Akkord.
    In Genua gehen siebzig erwartungsvolle Schäfer-Anhänger an Bord der Marco Polo , wenige Männer, viele Frauen und mehr als drei Dutzend Kinder. Kurz bevor sie Wochen später, am 11. Februar 1962, im Hafen von Santiago de Chile wieder festen Boden betreten, machen sie noch ein Gruppenfoto. Sie versammeln sich rings um den Rettungsring, wählen unbewusst ein bedeutsames Motiv. Links vom Ring steht Eva Schaak, die Frau von Gudruns Chef Alfred Schaak, sie hält ihre Tochter auf dem Arm. Vielleicht zum letzten Mal, aber das ahnt sie nicht.
    Alfred Schaak bleibt in Siegburg zurück, um die Geschäftsstelle zu leiten und alle Bestellungen aus Chile für die Mission zu beschaffen. Dass es mehr sein würde als nur eine kurzfristige Trennung, ahnt Eva Schaak nicht. Viele Familienväter werden auf diese Weise von ihren Ehefrauen und ihren Kindern getrennt.
    Februar ist der heißeste und trockenste Monat in der südchilenischen Region, anstrengend für schwangere Frauen. Zu dem Zeitpunkt ist Eva Schaak im achten und Emma Schaffrik im siebten Monat schwanger. Der Arzt in Deutschland hat Eva Schaak vor der vierwöchigen Schiffsreise gewarnt, da ihre siebte Schwangerschaft ohnehin eine Risikoschwangerschaft ist. Doch sie ist entschlossen: Dort liegt ihre Zukunft.
    Das erste Schiff bringt auch Gudruns Zwillingsschwestern über den Atlantik. Hannchen, die älteste, und der kleine Basti sind schon im August mit dem Flugzeug gekommen. Schäfer hat sortiert, wer reisen und wer zurückbleiben muss. Wer eine Straftat gegen Schäfer bezeugen kann, fliegt zuerst.
    Während die Neuen schon unterwegs sind zum Fundo, stopfen Wolfgang Müller und die anderen Jungs noch Strohsäcke, die dicht an dicht auf der Erde liegen sollen, damit Alt und Jung in dem großen Saal schlafen können.
    Als die Einwanderer dort eintreffen, erleben sie einen Schock: Ihre Reise endet im Urwald. Sie sehen große Armut. Ein krasser Unterschied zu Deutschland.
    Während die Neuankömmlinge sich erschöpft auf den Strohmatratzen ausstrecken, sieht Wolfgang Müller nur eines: Gudrun Wagner ist nicht dabei.
Der Wassereimer geht so lange zum Brunnen, bis er ein Einsehen hat
    Nun sind es über siebzig Personen mehr, die Steine sammeln, Gestrüpp ausreißen, Felder urbar machen, jeden

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