Unser Leben mit George
einen Hund. Er heißt Molly.« Tom Alwyn war
Joshuas neuer Freund. Er und sein ein Jahr jüngerer Bruder Joe waren im
September in Joshuas Schule gekommen. Ihre Eltern, Elizabeth und Richard, waren
warmherzig, sehr liebenswert und immer zu Späßen aufgelegt, und Joshua war am
vergangenen Samstagnachmittag in ihrem wunderbar kinderfreundlichen und
chaotischen Haus zum Spielen gewesen.
»Tom und Joe haben auch Katzen«, fuhr
Joshua fort. »Zwei Stück. Und Meerschweinchen, die wohnen in einem Käfig unter
Toms Bett. Eigentlich haben sie ziemlich viele Haustiere. Bei denen ist immer
was los.«
»Das klingt nett.«
Joshua schluckte seine Pommes hinunter
und sah mich über den Tisch hinweg mit seinen großen grünen Augen an. »Wenn wir
auch einen Hund hätten, also, dann hätten wir jemanden, mit dem wir reden
könnten, wenn wir nach Hause kommen.«
»Aber wir können doch miteinander
reden!«
Er sah weg. »Du weißt schon, noch jemanden zum Reden«, meinte er. »Jetzt, wo Dad nicht mehr da ist.«
Joshua war intelligenter, als ich
angenommen hatte. Natürlich merkte er genau wie ich, dass seit Udis Tod eine
große Leere in unserem Leben war, die wieder gefüllt werden musste. Aber ein
Hund war kein Ersatz für einen Ehemann oder Vater. Und der Gedanke an die
Verantwortung, die ein Tier mit sich bringen würde, erschreckte mich. Ich hatte
als Kind Haustiere gehabt und wusste, wie viel Pflege und Aufmerksamkeit ein
Hund erforderte. Vier Monate, nachdem ich Udi und meinen Vater verloren hatte,
fühlte ich mich kaum fähig, mich um Joshua zu kümmern. Genau genommen sehnte
ich mich nach einer Art Mary Poppins, die mit einer großen Reisetasche durch
die Tür schwebte und sich unser annahm.
»Weißt du was, ich werde mir die Sache
mit dem Hund überlegen«, sagte ich so unverbindlich wie möglich.
Joshua schob die Unterlippe vor. »Och,
das heißt wahrscheinlich nein.«
»Es heißt lediglich, dass ich darüber
nachdenken werde.«
Mein Sohn legte den Kopf auf die Seite
und sah mich an wie jemand, der mich nur zu gut kannte. Dann seufzte er tief,
und seine Mundwinkel gingen nach unten. »Mama, weißt du noch, was Dad immer
sagte?«
»Was?«
Seine Lippen zitterten, als würde er
gleich anfangen zu weinen. Doch seine Augen blieben ruhig auf mir liegen, und
ich hatte das Gefühl, dass ich, wie damals beim Paraskiing, mit absoluter
Sicherheit wieder einmal manipuliert werden sollte. Ich hatte recht.
»Er meinte: ›Sag immer Ja, wenn
dich jemand fragt, ob er etwas machen kann, es sei denn, es gibt einen wirklich
guten Grund, Nein zu sagen.‹ Also, Mama, jetzt wo Dad nicht mehr da ist,
um Ja zu sagen, findest du nicht, dass du es jetzt mal sagen solltest?«
4.
Kapitel
Am folgenden Samstagmorgen machten Joshua
und ich uns auf den Weg nach Westlondon zur alljährlichen Ausstellung des
Hundezüchterverbands, Discover Dogs.
Trotz meiner Vorbehalte hatte ich
Joshua versprochen, ernsthaft über die Anschaffung eines Hundes nachzudenken.
Eigentlich war es gar keine schlechte Idee. Ich selbst war mit Haustieren
aufgewachsen und wusste, wie wichtig sie für Kinder sein konnten. Außerdem
hatte ich erst kürzlich einen Artikel gelesen über etwas, das sich
Haustier-Therapie nannte. Der Einsatz von Haustieren, um Menschen zu helfen,
hatte offenbar bereits im 9. Jahrhundert in der belgischen Stadt Gheel seinen
Anfang genommen, wo man behinderten Menschen Tiere zur Pflege gab. Und als im
18. Jahrhundert der Quäker William Tuke, seines Zeichens Teehändler, das York
Retreat, ein für damalige Zeit sehr fortschrittliches Heim für geistig
Behinderte eröffnete, versuchte er ebenfalls, seine Patienten durch Kontakt mit
Tieren zu heilen. (Da die gängigen Behandlungsmethoden Geistesgestörter zur
damaligen Zeit darin bestanden, sie mit eisernen Ketten an die Wand zu fesseln
oder sie in speziell angefertigten »Wirbelstühlen« zu drehen, bis ihnen das
Blut aus den Ohren trat, oder sie in eiskaltes Wasser zu tauchen und vermittels
Blutegeln zur Ader zu lassen, konnte das Streicheln eines Tieres — selbst eines
wilden — eigentlich nur eine Verbesserung darstellen.)
Florence Nightingale, die Wegbereiterin
der modernen Krankenpflege, war im Alter selbst vierzehn Jahre lang
bettlägerig, und ihrer Ansicht nach war ein kleines Haustier »oft eine
ausgezeichnete Gesellschaft für einen Kranken, besonders bei langen,
chronischen Krankheiten«. Selbst der große Sigmund Freud, der Vater der
Psychoanalyse, hatte während der
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