Unser Leben mit George
und Panzer. Jede Minute von Joshua musste geplant, jede Bewegung
festgelegt werden, genau wie sein Aufenthalt zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Telefonnummern und Hausschlüssel wurden in der Familie herumgereicht, zusammen
mit einer Liste von Joshuas Freunden. Außerdem brauchte die Nachbarin eine
genaue schriftliche Anweisung über das Füttern von Monster Mog. George wurde in
das exklusive Hundehotel »The Paw Seasons« in Kent geschickt, das sich als
weitaus gepflegter und gastfreundlicher erwies als das Hotel am linken
Seine-Ufer, in dem Anthony und ich logierten.
Übrigens wurde das Wochenende zu einer
Katastrophe der Extraklasse. Nach stundenlangem Suchen hatte ich dieses Hotel
im Internet gefunden. Obwohl das Haus entzückend traditionell war, lag es
direkt neben einer Verkehrsampel zwischen dem verkehrsreichen Boulevard St.
Michel und dem noch belebteren Boulevard St. Germain, und unser Zimmer im
ersten Stock hatte eine große Balkontür ohne Doppelverglasung. Wenn man in dem
malerischen Messingbett lag, hatte man das Gefühl, auf dem Mittelstreifen der
M25 zu schlafen. Das Vibrieren und der Verkehrslärm, das Bremsen und erneute
Anfahren hielt Anthony und mich die ganze erste Nacht wach; manchmal schien es
so nahe, dass wir Angst hatten, überfahren zu werden. Erschöpft und gereizt
verbrachten wir den größten Teil des folgenden Tages mit der Suche nach einer
ruhigeren Unterkunft. Nachdem wir praktisch jedes Hotel im quartier aufgesucht
und erfahren hatten, dass sie alle ausgebucht waren, fanden wir schließlich
noch ein freies Dachzimmer mit nur einem kleinen Fenster. »Ach, ist das nicht
herrlich?«, seufzten wir, als wir an diesem Abend dankbar ins Bett fielen und
nichts Romantischeres im Sinn hatten, als unseren verlorenen Schlaf
nachzuholen. Zwei Minuten später wurde die Stille von lauten Stimmen, noch
lauterer Rockmusik, Gelächter und knallenden Champagnerkorken zerrissen. Ich
sprang aus dem Bett und spähte durch den Vorhang. In einem Loft auf der anderen
Straßenseite wurde eine ausgelassene Pariser Party gefeiert, deren Lärm alle
Doppelverglasungen Frankreichs nicht hätten dämpfen können.
So hatte unsere Beziehung in Paris den
Todeskuss erhalten, und bald nach unserer Rückkehr war sie beendet. Ich würde
also Weihnachten und Neujahr allein feiern. Wohl mochte mein kleiner Hamlet
ohne »Onkel Claudius« glücklicher sein, aber ich war so deprimiert, dass ich es
nicht fertigbrachte, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Zum Glück kamen am Heiligabend
Tabby, Hannah und Nathaniel herüber und halfen uns damit, während George seinen
Teil dazu beitrug, indem er das Papier zerfetzte, in das die Kugeln
eingewickelt waren. Während ich zusah, wie viel Spaß sie zusammen hatten, wurde
mir eine wunderbare Tatsache klar, die sich in der ganzen schrecklichen Zeit
nach Udis Tod ergeben hatte: Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass ich den Kontakt
zu meinen Stieftöchtern verlieren würde, aber das Gegenteil war der Fall,
unsere Beziehung war noch enger geworden.
Als sie nach Hause gegangen waren, kam
mir die Wohnung wieder schrecklich leer vor. »Ich wünschte, Dad wäre da«, sagte
Joshua, als wir vor dem Fernseher auf dem Sofa saßen. George lag lang
ausgestreckt quer über unseren Knien, den Bauch voll Weihnachtsgebäck.
»Ich auch, Schatz«, erwiderte ich, »ich
auch.« Beide fingen wir an zu heulen. Aber inzwischen war unsere Trauer zu
einer Achterbahn geworden, und eine Viertelstunde später lachten wir schon
wieder laut über die Situationskomik des Films.
Später, als ich wach im Bett lag, mir
über meine finanzielle Situation Gedanken machte und darauf wartete, dass
Joshua einschlafen würde, so dass ich den Weihnachtsstrumpf in seinem Zimmer
aufhängen konnte — seine Zweifel am Weihnachtsmann waren zumindest für diese
eine Nacht auf Eis gelegt worden — , vermisste ich Udi schrecklich. Dann hörte
ich im Flur ein Klappern, als George durch die Katzenklappe aus dem Garten
hereinkam. Einen Augenblick später stieß er mit der Nase meine Schlafzimmertür
auf und kam schwanzwedelnd hereinmarschiert. Er sah kurz hoch, um sich zu
informieren, wo Monster Mog lag (die im Augenblick zusammengerollt am Fußende
schlummerte), dann sprang er aufs Bett, ohne sie zu stören, und trampelte über
meine Knie, wobei er große schmutzige Fußtapser hinterließ.
»George, was machst du denn?
Runter!«
Er ignorierte meinen Protest, setzte
sich schwer auf meinen Bauch und sah mich an, als ahnte er, dass ich
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