Unser Leben mit George
eintrafen,
wenn ich sie am dringendsten brauchte.
Vielleicht war jetzt die Zeit,
umzusatteln und einen »richtigen« Job anzunehmen, wie meine Eltern es immer
ausdrückten. Ich hatte die Kunstschule abgebrochen. Ich konnte, trotz meiner
literarischen Tätigkeit, weder Maschine schreiben noch beherrschte ich die
Rechtschreibung fehlerlos, ich war auch nicht gut im Rechnen, somit würde mich
ein Arbeitgeber nicht gerade als Geschenk des Himmels betrachten. Aber irgendwo
gab es vielleicht doch jemanden, der mich brauchte. Wenn nicht, so sagte ich mir,
konnte ich immer noch meine Besitztümer verkaufen — oder könnte es, wenn ich
welche hätte. Und, wie ich meiner Schwester einmal versicherte, wenn es
wirklich zum Schlimmsten kam, könnte ich mich selbst verkaufen. Das hatte ich
Udi einmal scherzhaft vorgeschlagen, als wir sehr knapp dran waren. »Schatz«,
hatte er ganz ernsthaft gesagt, »ich fürchte, da würdest du nicht viel
verdienen. Du würdest den Freiern zu oft sagen: ›Nein, tut mir leid, das mache ich nicht. Nein, und das auch nicht. Und das mache ich ganz
bestimmt auch nicht!‹«
Als ich Joshua sagte, dass ich mir im
neuen Jahr einen Job suchen würde, machte er einen Vorschlag.
»Warum wirst du nicht Hundewalker,
Mum?«
»Hundewalker?« Ich sah ihn an, als
hätte er den Verstand verloren.
»Denk mal drüber nach. Du gehst doch
sowieso jeden Tag mit George ins Freie. Dann könntest du doch gleichzeitig noch
andere Hunde mitnehmen und damit Geld verdienen.«
»Aber Schätzchen«, protestierte ich,
»ich muss richtig Geld verdienen. Damit verdient man doch höchstens nur
ein Taschengeld.«
»Nein, stimmt nicht. Ich habe neulich
eine Frau gefragt, und sie sagte, sie bekommt für jedes Mal, wenn sie mit einem
Hund spazieren geht, zehn Pfund. Sieh mal, wenn du zweimal am Tag mit zehn
Hunden rausgehst und das fünf Tage in der Woche machst, verdienst du — Moment
mal...« Er nahm die Finger zu Hilfe. »Tausend Pfund die Woche!«
Mir blieb der Mund offen stehen, teils
über den Geschäftssinn meines Sohnes, von dem ich bisher keine Ahnung hatte,
teils über diese Summe, die ich mit dem Taschenrechner nachprüfte. Joshua hatte
recht: Nach seiner Rechnung würde ich als erfolgreicher Hundewalker im Jahr 52
000 Pfund verdienen — das war mindestens doppelt so viel, wie ich jemals als
Schriftstellerin verdient hatte!
Ich riss ein Stück Papier aus einem
seiner Hefte und notierte darauf die Vor- und Nachteile einer Beschäftigung als
Hundewalker. Vorteile: Ich verdoppelte mein Einkommen; ich war mein eigener
Herr; es gäbe keine Schwierigkeiten in den Schulferien; ich könnte George
mitnehmen; ich würde viel ins Freie kommen und die Natur genießen; außerdem
hätte ich viel Bewegung, und damit würden meine Probleme mit Cellulite
aufhören. Die Nachteile: Ich müsste in einem stinkenden, verflohten Van im
Nordend herumfahren und mich mit Politessen und Strafzetteln herumärgern, um
meine verwöhnten Schützlinge aus ihren Luxusappartements abzuholen; ich würde
in einem mit Schlamm verdreckten Anorak auch im strömenden Regen draußen
herumlaufen und nach Molly, William, Rupert, Megan und Sebastian rufen
(schließlich sprechen wir hier von Hunden der gehobenen Klasse); und was am
schlimmsten wäre, ich müsste alle Häufchen aufsammeln, die die oben erwähnten
Luxusköter unterwegs deponierten.
Dieser letzte Punkt war der
entscheidende. Die Häufchen eines fremden Hundes aufzuheben war noch schlimmer,
als einem fremden Baby die Windel zu wechseln: Das brachte man gerade noch beim
eigenen Hund fertig, aber bei fremden war es noch viel ekliger. Nein, ich würde
eine andere Möglichkeit finden müssen, um Geld zu verdienen. Wenn es wirklich
ganz schlimm kommen sollte, gab es noch eine Möglichkeit, die ich aber nur im
äußersten Fall ergreifen würde. Wie wohlmeinende Freunde mir immer wieder
versichert hatten: Ich saß auf meinem größten Aktivposten, und damit war nicht mein Hinterteil gemeint.
In den Monaten nach Udis Tod hatte ich
mich von einem Finanzfachmann beraten lassen. »Ihre Wohnung ist Ihr
wertvollster Besitz«, hatte er gesagt. »Sie sollten sie verkaufen und sich
verkleinern, den Gewinn könnten wir dann anlegen, so dass Sie ein Einkommen
daraus haben. Wozu brauchen Sie eine Wohnung mit drei Schlafzimmern, wo Sie
jetzt nur noch zu zweit sind?« Wahrscheinlich hatte er recht, aber ich hätte
ihn für diese Taktlosigkeit ohrfeigen können. Schließlich sprach er von meinem
und Joshuas
Weitere Kostenlose Bücher