Unser Leben mit George
traurig
war. Dann fing er an, mir die Handcreme, mit der ich mich gerade eingerieben
hatte, abzulecken. Trotz des Schmutzes, den er hereingebracht hatte, war ich
ihm dankbar für diesen Liebesbeweis, und als ich seine langen, lockigen
Cavalierohren streichelte, legte er sich quer über mich und schlief mit einem
zufriedenen Seufzer ein. Plötzlich ging es mir besser. Es war unmöglich, lange
unglücklich zu sein, wenn George da war. Kein Wunder, dass man diese Rasse
einst als »Trosthunde« bezeichnet hatte.
Ich strich über die Haarbüschel, die
seit seiner Kastration auf seinem Kopf steil nach oben wuchsen wie bei einer
Cartoonzeichnung, und meine Augen blieben auf einem alten Stich hängen, der
gegenüber meinem Bett an der Wand hing. Ich hatte ihn 1988 gekauft, als ich
Joshua erwartete und an einem Buch über die Geschichte von Soho, dem Stadtteil
im Herzen von London, arbeitete. Der Stich aus dem 18. Jahrhundert zeigte Soho
Square, damals die teuerste Adresse dieser eleganten Gegend. Es war auch der
Wohnsitz einer außergewöhnlichen Frau gewesen, die mich immer fasziniert hatte.
Sie hieß Teresa Cornelys.
Teresas Lebensgeschichte war wirklich
außergewöhnlich. Sie wurde 1723 als Tochter einer Schauspielerin und eines
Impresarios in Venedig geboren, einer Stadt, die damals das europäische Zentrum
des Sextourismus und des guten Lebens war — ein bisschen wie heute Ibiza, nur
unendlich viel schöner und gebildeter. Teresa war von Jugend an eine femme
fatale gewesen, und als sie fünfzehn war, verliebte sich ein
fünfundsiebzigjähriger Senator in sie und bat sie inständig, seine Frau zu
werden. Auch mit dem fünfzehnjährigen Giacomo Casanova flirtete sie; einige
Jahre später sollte eine kurze Beziehung mit diesem berühmten Liebhaber die
Geburt der Tochter Sophia zur Folge haben.
Als sie Anfang zwanzig war, hatte sich
die extravagante Teresa an den europäischen Königshöfen nicht nur als Sängerin,
sondern auch als Edelkurtisane einen Namen gemacht, doch als sie Mitte dreißig
war, hatte sie alles, was sie verdient hatte, bereits wieder verloren und
musste in den Konzerthäusern von Amsterdam praktisch um Arbeit betteln. Nach
damaligem Verständnis war sie nun eine alternde Frau, und ihre Gesangsstimme
ließ nach, genau wie ihre Schönheit, die ihr so viele Vorteile eingebracht
hatte. Das gewöhnliche Schicksal solch alternder Künstlerinnen war das
Abrutschen in die Prostitution. Doch Teresas Entschlossenheit und ihrem
außerordentlichen Talent war es zu verdanken, dass ihr bester und
erfolgreichster Lebensabschnitt erst noch kommen sollte.
1759 brachte Teresa die fünfjährige
Sophia nach England. Obwohl sie keinen Penny besaß und kein Wort Englisch
sprach, gelang es ihr, die Hilfe einiger der vornehmsten Aristokratinnen
Londons für sich zu gewinnen, und mit dem Geld eines reichen englischen
Liebhabers eröffnete sie ein elegantes Gesellschaftshaus in Soho. Carlisle
House, wie das große, herrliche Gebäude im Osten von Soho Square hieß, war im
Grunde genommen der erste Nachtclub Londons, vielleicht sogar der Welt. Hier
trafen sich die Reichen und die Aristokraten, die Berühmten und die
Notorischen, die wahren Intellektuellen und die Angeber.
Es dauerte nicht lange, bis die
Konzerte, die Bälle und eleganten Maskeraden, die Teresa in Carlisle House
veranstaltete, so berühmt waren, dass nicht nur die Londoner Gesellschaft
darüber klatschte, sondern sogar die Zeitungen in den amerikanischen Kolonien
darüber berichteten. Teresa wurde berühmt und war vielleicht die reichste
Geschäftsfrau in England. Dennoch hatte sie, als sie vierzig Jahre später
starb, wieder alles verloren, sogar ihre geliebte Tochter, und die
Gesellschaft, die sie einst gefeiert hatte, hatte sie vergessen.
Teresas Schicksal hatte mich gepackt,
seit ich im Untergeschoss der Londoner Bibliothek in einem staubigen alten
Wälzer etwas über sie gelesen hatte, wenn es auch nicht viel war. Ich
bewunderte ihren Mut und ihre Zähigkeit, mehr aber noch ihren unverwüstlichen
Lebenswillen. Immer wieder hatte sie Schicksalsschläge hinnehmen müssen,
einschließlich mehrerer Bankrotte, das Scheitern ihrer Ehe, mehrere
Gefängnisaufenthalte und den Tod mindestens eines ihrer Kinder. Und doch hatte
sie sich immer wieder aufgerappelt und aufs Neue angefangen, egal wie
aussichtslos es schien.
Seit Udis Tod war die unverzagte Teresa
so etwas wie ein Vorbild für mich. Als sie in England ankam, hatte sie so gut
wie nichts, aber das hatte
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