Unser Leben mit George
sie nicht davon abgehalten, sich neu zu erfinden.
Verglichen mit ihr, was hatte ich zu jammern? Wenn eine Frau des 18.
Jahrhunderts ihr Leben aus den Trümmern vergangener Misserfolge wieder aufbauen
konnte, dann konnte ich es auch.
Ich suchte nach immer neuen
Einzelheiten über Teresa und zitterte davor, dass jemand ihre Lebensgeschichte
aufschreiben könnte, ehe ich dazu gekommen war, das würde ich nicht verwinden.
»Warum hörst du nicht auf, davon zu erzählen, und tust es endlich?«, hatte
Anthony ziemlich ungeduldig gesagt, als ich, kurz bevor wir uns trennten,
wieder einmal von Teresa anfing.
Als die Glocken der nahe gelegenen
Kirche an jenem Weihnachtsabend zur Mitternachtsmesse läuteten, schob ich den
schlafenden George vorsichtig von meinem Bauch, stieg aus dem Bett und sah mir
den Stich vom Soho Square genauer an. Dort, rechts im Bild, stand Teresas Haus.
Darüber war die Charles Street, die gerade nach oben führte, über die Straße,
die damals Tyborn Road hieß und heute die Oxford Street ist, bis zu einer
kleinen Windmühle am Rand, wo damals die Stadt aufhörte und das offene Land
anfing. Ich fuhr mit dem Finger nach Norden bis zu einem kleinen Hügel ganz am
Rand des Bildes, neben dem in altertümlicher Schrift »Hampstead« stand —
der Ort, wo ich jetzt wohnte. Dort oben war sogar eine winzige Kirche
eingezeichnet, dieselbe Kirche, deren Glocken ich jetzt hörte.
Mir lief es kalt über den Rücken. Ich
blickte auf die direkte Verbindung zwischen Teresa und mir. In diesem
Augenblick hörte ich, wie sie über die Jahrhunderte hinweg nach mir rief.
Plötzlich wusste ich, dass es an mir lag, und nur an mir, sie wieder zum Leben
zu erwecken. Anthonys schroffe Bemerkung hatte mir den nötigen Anstoß gegeben.
Ich würde mich nicht weiter mit leichtgewichtigen Frauenromanen herumquälen.
Stattdessen würde ich Teresas Biographie schreiben!
Als habe er meine Gedanken gehört,
schnarchte George laut auf, rollte auf die andere Seite, streckte seine großen,
behaarten Pfoten gegen mein Kopfkissen und tat einen tiefen Seufzer. Auch er
schien mich zu rufen, und es klang wie: »Aber vergiss mich nicht!«
13.
Kapitel
Sofort nach Weihnachten schrieb ich alles
auf, was ich über Teresas Leben wusste, und schickte es an meine literarische
Agentur. Ich war sprachlos, als meine Zusammenfassung im neuen Jahr von einem
Verlag angenommen wurde. Ich war als Schriftstellerin wieder im Geschäft.
Es war wie ein herrliches Geschenk,
dass ich Teresas Lebensgeschichte niederschreiben konnte und dafür auch noch
bezahlt wurde. Für mich war es auch ein wunderbar anregender Beginn des neuen
Jahrtausends. Es gab nur ein Problem: Wer würde sich um Joshua kümmern, während
ich in oft weit entfernten Bibliotheken Material für mein Buch sammelte? Ich
wollte nicht, dass er jeden Tag nach der Schule in ein leeres Haus kam, und
noch weniger wollte ich, dass er in den Schulferien lange allein war. Mein Sohn
war vernünftig und zuverlässig, und bisher hatte er den Verlust seines Vaters
besser verarbeitet, als ich zu hoffen gewagt hatte. Doch das traumatische
Ereignis war noch nicht sehr lange her. Aus allem, was ich über das Thema
gelesen hatte, waren vaterlose Jungen besonders in Gefahr, aus dem
Gleichgewicht zu geraten, und ich war entschlossen, dass Joshuas Elternhaus so
stabil wie möglich sein sollte.
Dann gab es auch noch das Problem, was
mit George passieren sollte, wenn ich arbeitete. Auch ihn konnte ich nicht die
ganze Zeit allein zu Hause lassen — oder nicht so sehr allein als vielmehr
Monster Mog ausgeliefert. Achtzehn Monate nachdem George ein Mitglied unserer
Familie geworden war, befanden sich die beiden immer noch im Kriegszustand, und
unsere Katze war nach wie vor entschlossen, als Siegerin daraus hervorzugehen.
Seit dem Tag seiner Ankunft hatte sie George schändlich behandelt, aber seit er
kastriert war, benahm sie sich ihm gegenüber geradezu unerträglich. Vielleicht
spürte sie, dass er kein »vollkommener« Hund mehr war, wie der Tierarzt es
euphemistisch ausdrückte, und deshalb leistete sie sich noch mehr Frechheiten
als zuvor. Sie merkte, dass George in letzter Zeit entschieden »weiblich«
geworden war, ja, manchmal hockte er sich draußen zum Pinkeln sogar hin, genau
wie sie! Monster Mog verachtete ihn dafür. Ihre Taktik ihm gegenüber veränderte
sich, von der bisherigen gelegentlichen Gewalt kam es jetzt zu offener
Kriegsführung. Scharfe Tatzenhiebe, Ohrfeigen, das Stehlen seines
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