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Unser Mann in London

Unser Mann in London

Titel: Unser Mann in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Volz
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Urlaub fahren, mitten in der Saison. Unsere Frauen oder Freundinnen sollten wir ruhig mitnehmen. Die Rechnung würde der Klub übernehmen.
    An all diese feinen Gesten und herzlichen Erlebnisse musste ich im November 2006 denken. In einem halben Jahr lief mein Vertrag in Fulham aus. Dreieinhalb Jahre zuvor war ich im Glauben gekommen, hier nur einen kurzen Zwischenstopp in meiner Karriere einzulegen. Und nun – wollte ich überhaupt noch weg? Ich kam beim FC Fulham morgens mit dem Fahrrad an und versteckte es hinter einer Treppe, damit die Kollegen es nicht sahen und ihren Schabernack damit trieben. An der Tür zur Umkleidekabine stand schon unser Sheriff, Mittelfeldspieler Mark Pembridge, der sich selbst zum Wächter über die Pünktlichkeit und den Kleidungsgeschmack erhoben hatte. Einmal kam ich aus der Dusche, und Pembridge trug mein pinkfarbenes Hemd und meine Stiefel – nur zur Unterhose. Damit die Hässlichkeit deiner Kleidung mal so richtig zur Geltung kommt, sagte sein Lachen. In Fulham spielte ich jedes Wochenende in der Premier League, wir hatten in vier Spieljahren meist in der Ruhe der Mittelklasse arbeiten können. Überraschten wir gegen die großen Teams, gab es Applaus, verloren wir 1:4, gab es auch Applaus, nun verständnisvoll. Hier konnte ich in einem der schönsten Viertel Londons leben, hier war ich der lustige Deutsche, «Moritz Volz wird gerade zur Kultfigur», sagte David Lloyd, Herausgeber der Fanzeitschrift
There is only one F in Fulham
. «Er sollte einen Kuchenstand vor dem Stadion aufmachen. Ich würde ihm liebend gern beim Verkauf helfen.»
    Mein Mitspieler Mark Pembridge führt vor, wie meine Stiefel und mein pinkfarbenes Poloshirt zu seiner Unterhose passen. Ein Skelett aus unserem Ärztezimmer schaut zu.
    Ich war, kurz gefasst, in dem Klub und der Stadt zu Hause. Doch in meinem Hinterkopf spulte das Roboterhirn eines Profisportlers noch immer sein Mantra ab: Du musst doch weiter, schneller, höher hinaus.
     
    Ich versuchte den Roboter in meinem Kopf zu dominieren. Erst einmal wollte ich mit Fulham über eine mögliche Vertragsverlängerung sprechen, sagte ich meinem Agenten David Giess.
    Wenn David anrief, fragte er mit der herzlichsten Stimme der Welt: «Wie geht es dir, mein Freund?» Und ehe ich antworten konnte, sagte schon er: «Ah, gut, gut, es freut mich, dass es bei dir gut läuft.»
    Er war der klassische
gentlechap
. Die Welt kennt den britischen Gentleman, der mit steifer Oberlippe, überbetonten Worten und untrüglichen Manieren den Standard des guten Benehmens setzte. Der Gentleman entstammt ursprünglich der Oberklasse. Der Gentlechap ist sein Ebenbild in der Arbeiterklasse.
The gentle man
heißt direkt übersetzt der vornehme oder auch der sanftmütige Mann.
The gentle chap
dagegen ist der vornehme Bursche. In dem Ausdruck klingt schon die weniger raffinierte, aber dafür auch offensichtlichere Herzlichkeit, die schlichtere, aber nicht weniger bestimmte gute Stube der Arbeiterklasse an.
    David trug einen Schnauzer und hatte den Haaransatz direkt über den Ohren ein Stück weit abrasiert. Wenn Anneke und ich ihn einluden, schenkte er uns Kristallobstschüsseln und erfreute sich so sehr an seiner eigenen Großzügigkeit, dass er es schon Tage vorher am Telefon nicht abwarten konnte: «Meine Frau und ich werden Anneke und dir etwas mitbringen, Moritz, ach, nur eine Kleinigkeit.»
    Eigentlich hatte David nur mein Steuerberater sein sollen. Steve Rowley hatte mich mit ihm in Verbindung gesetzt, beide waren
Essex boys
, aus der Wiege des Gentlechaps im Osten von London. Ihr Verhältnis ähnelte dem von Tom und Jerry. Sie mochten sich sehr und konnten es nicht lassen, einander zu sticheln.
    «Ach, der David!», knurrte Steve, als ich ihm wieder einmal von seinem Freund erzählte. «Achte einmal darauf: Immer schiebt er in seine Sätze die Floskel
Dazu noch kurz Folgendes
ein – ob es passt oder nicht.»
    So schlimm erschien mir das in jenem Moment nicht.
    «Es macht mich wahnsinnig!», rief Steve.
    Beim nächsten Telefonat mit David musste ich mich anstrengen, nicht an ernsten Stellen laut loszulachen.
    «Dazu noch kurz Folgendes», summte Davids herzliche Stimme, «ich habe einen Termin mit Fulhams Geschäftsführer ausgemacht.» Deutete sich auch nur eine Gesprächspause an, sprang David schon wieder hinein: «Dazu noch kurz Folgendes, wie läuft es mit der Medienarbeit, soll ich die
Times
anrufen, sie wegen deinem Honorar für die Kolumne aufscheuchen? Nein? Gut,

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