Unser Mann in London
Hasselhoff-Spaß als ernste Anbetung missverstanden wurde. Aber ich muss zugeben: Irgendwann fand ich es nicht mehr lustig. Die Hasselhoff-Nummer geriet außer Kontrolle.
Ich bekam Hunderte von Zuschriften. Manche wollten mir nur einmal sagen, was für ein geiler Freak ich doch sei. Andere jubilierten, weil sie in mir den lang ersehnten Verbündeten sahen: «Vielen Dank für deine Liebeserklärung an den Hoff, Moritz! Ich stehe genauso wie du auf ihn. Ich verstehe auch gar nicht, warum er so runtergemacht wird. Aber mit dir als öffentlichem Fürsprecher trauen wir Hasselhoff-Fans uns endlich wieder, uns zu unserer Liebe zu bekennen.»
Ich bekam Hasselhoff-Bleistifte, Hasselhoff-Quartettkarten, Hasselhoff-Bierdeckel, vier Hasselhoff-Autobiographien und eine Hasselhoff-Unterhose zugeschickt. In jedem Interview wurde ich auf Hasselhoff angesprochen, in Internetblogs wurden Verschwörungstheorien gestartet: «Der Internetanbieter Pipex ist der Sponsor von Fulham
und
Werbepartner von Hasselhoff – von daher könnte Volz’ Eloge auf den Hoff ein klug ausgetüftelter Marketingtrick sein.» Aus Deutschland bekam ich Solidaritätsbekundungen per E-Mail, ich solle mich von den Engländern nicht unterkriegen lassen, der Hoff sei König und es sei an der Zeit, dass es den Engländern mal einer sage. Bei diesen E-Mails aus Deutschland dachte ich immer: «Oh, genau ihr seid das eigentliche Problem!»
Ich könnte ein David-Hasselhoff-Museum eröffnen. Irgendwo in einer Kiste muss ich noch die ganzen Hoff-Souvenirs haben, die man mir zuschickte, Hasselhoff-T-Shirts, Hasselhoff-Postkarten, Hasselhoff-Tassen. Eine Zeitlang spielte ich mit dem Gedanken, die Hasselhoff-Unterhose bei einem Spiel anzuziehen. Wenn ich ein Tor erzielte, würde ich die Fußballhose runterlassen und der Welt den Hoff zeigen. Der Slip war richtig fies, ganz in Schwarz und in der Mitte, auf Penishöhe, das Gesicht vom Hoff. Aber dann dachte ich daran, wie viel Zeit vergehen würde, bis ich mal wieder ein Tor schoss. Bis dahin würde die Unterhose so ausgewaschen sein, dass man den Hoff gar nicht mehr erkannte.
Als ich mein allererstes Tor in der Premier League erzielt hatte, beim 1:1 gegen Aston Villa im Oktober 2006, war der Hoff trotzdem beteiligt.
Es war damals dank David Beckham Mode geworden, dass sich Fußballer die Namen ihrer Kinder oder Frauen in die Lasche der Fußballschuhe stanzen ließen. Ich hatte mir, mehr aus Langweile denn aus Schalk,
The Hoff
auf meine neuen Schuhe aufdrucken lassen. Ich trug sie an jenem Samstag das erste Mal, als ich gegen Villa einen Volleyschuss ins Tornetz jagte. Danach zog ich sie nie mehr an. Die Schuhe sollten ihre hundertprozentige Erfolgsquote behalten.
Bei einer Versteigerung für wohltätige Zwecke, die ich auf meiner Internetseite organisierte, gingen die Hoff-Schuhe für 295 Pfund Sterling weg. Für mein Panini-Album wurden nur 92 Pfund geboten.
«Wenn der Hoff auf meinen Fußballschuhen verewigt ist», hatte ich in
Four-Four-Two
geschrieben, «dann ist er immer mit mir.»
Der Hoff ist mein Held: Als David Hasselhoff posiere ich für das Fußballmagazin
Four-Four-Two
.
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Achtzehn Eine andere Soße
Sonntagmorgens um halb zwölf im Park an unserer Straße entdeckte ich ein neues Spiel. Es hieß Fußball. Es war völlig anders als der Sport, den ich kannte.
«Töte das Spiel!», schrien die Spieler auf der Parkwiese ihren Mannschaftskameraden am Ball an, was offenbar bedeutete, dass er das Tempo aus dem Spiel nehmen sollte. «Räum auf!», brüllten sie ihn Sekunden später an, nachdem er folgsam das Tempo verlangsamt hatte und deshalb nun von einem der roten Gegner bedrängt wurde. «Räum auf!» Bereinige die Gefahr, schlag den Ball weg, hieß das wohl. Fasziniert betrachtete ich die Parkfußballer, die unabhängig von Fitness oder Talent mit glühendem Eifer nach dem Ball stocherten und Kommandos brüllten, die ich noch nie gehört hatte. «Das ist eine andere Soße!», riefen auf einmal einige im gelben Team. Es war offenbar das höchste Lob. Der Mann am Ball – der eben noch «aufräumen» sollte – hatte den Ball im Bedrängnis nämlich nicht einfach weggedroschen, sondern den Gegner eiskalt umdribbelt.
Ich liebte es sofort und bedingungslos. Regelmäßig blieb ich mit Anneke sonntags auf dem Spaziergang nach der Kirche ein paar Minuten beim Freizeitfußball im South Park stehen. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste ein ganzes Spiel sehen. Es
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