Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Mann in London

Unser Mann in London

Titel: Unser Mann in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Volz
Vom Netzwerk:
er echt gut sein. Aber darin erschöpften sich die Informationen.
     
    Holland und die USA hatte ich schon längst voll. Aber bei Deutschland fehlten mir immer noch Arne Friedrich und Jens Lehmann im Panini-Album, als mein deutsches Sommermärchen mit dem sechsten Spiel in acht Tagen in München endete. Ich fuhr mit Anneke in den Urlaub nach Korsika und fühlte mich schon erfrischt. Ich wollte versuchen, Fußball in der nächsten Saison ein wenig wie ein Fan zu spielen.
    Wir hatten den Strand in Korsika, aber ich brauchte unbedingt einen Internetzugang. Anneke fragte sich laut, ob man wirklich die ganze Zeit im Hotelzimmer vor dem Computer sitzen müsse, wenn draußen die schönste Natur wartete. Ich fühlte, ich musste einen Beziehungskrach riskieren. Ich brauchte einen Friedrich, einen Lehmann und ein paar Algerier. Im Internet gab es Fußballbilder-Tauschbörsen, hatte ich herausgefunden.
    Ich stellte mir Listen zusammen, doppelte Spieler, fehlende Spieler. Unter dem Benutzernamen Super-Schweini meldete ich mich bei der Tauschbörse an. Danach musste ich zur Post, um die Bildchen zu verschicken, die ich im Internet gehandelt hatte. Für McBride und Bocanegra mit Autogrammen bekam ich acht Bildchen geboten. Doch ich wurde hemmungslos betrogen. Der Kerl kassierte meine beiden Amerikaner ein und schickte mir seine Tauschware nie zu.
    Jens Lehmann war der Letzte, der mir fehlte. Ehe wir Korsika verließen, hatte ich auch ihn. Mit dem unvergleichlichen Stolz eines Jägers und Sammlers nach der vollbrachten Tat blätterte ich das Panini-Album durch. Ich meinte, spüren zu können, wie neben mir Anneke die Lippen zusammenpresste. Aber, Birdwatcher und Trainspotter, ihr wenigstens werdet mich verstehen.

[zur Inhaltsübersicht]
Sechzehn Dazu noch kurz Folgendes
    Vor mir saßen zwei Dutzend Kinder und stellten die Fragen, die Reporter gerne stellen würden.
    «Bist du reich?»
    «Welches Auto fährst du?»
    Wobei für die Kleineren im Saal der Stadtbücherei Fulham doch etwas anderes das Entscheidende war: «Welche Farbe hat dein Auto?»
    Ich versuchte, mit Gegenfragen Zeit zu gewinnen. «Nun, was denkt ihr denn: Welches Auto fahre ich?»
    «Lamborghini!»
    «Ferrari!»
    «Aha. Und welche Farbe, glaubt ihr, hat mein Wagen?»
    «Orange.»
    «Lila.»
    «Rosa.»
    Ich gestand ihnen, dass ich einen silbernen VW Golf besaß. In ihren Gesichtern sah ich die Ernüchterung: Warum hatte man ihnen diesen Fulham-Spieler geschickt, warum war nicht John Terry da?
    Ein Junge meldete sich und gab mir noch eine Chance, als cooler Profifußballer durchzugehen.
    «Gegen wen hast du schon mal gespielt?»
     
    Der FC Fulham hatte mich gebeten, im Rahmen eines Projekts zur Leseförderung die umliegenden Büchereien zu besuchen. Prominente im ganzen Land lasen Schülern aus ihrem Lieblingsbuch vor und beantworteten danach Fragen, die sich – eigentlich – um das Buch und das Lesen drehen sollten. Ihre Lehrer hatten den Kindern zuvor eingeschärft, welche Fragen sie nicht aufbringen sollten. Und genau diese stellten sie dann.
    Ich hatte
Der kleine Prinz
von Antoine de Saint-Exupéry als Lektüre ausgewählt; ich dachte, in dem Buch steckten einige Denkanstöße für die Kinder: dass man mit dem Herzen sehen, nicht voreingenommen sein sollte. Ich sollte mich also vermutlich nicht beschweren, dass die Kinder dann mit dem Herzen, unvoreingenommen fragten.
    Ein Fußballprofi in England ist vertraglich immer auch ein Sozialarbeiter. Das wohltätige Engagement ist im Standard-Lizenzspielervertrag festgeschrieben. Die Vereine schicken ihre Spieler in Jugendzentren, um mit verhaltensauffälligen Teenagern Fußball zu spielen, oder an Gymnasien, damit die Deutschklasse mal einen lebendigen Deutschen sieht. Auch beschäftigen nahezu alle Londoner Klubs ausgebildete Sozialarbeiter, die Hausaufgabenhilfe im Stadion anbieten oder das Fußballtraining des FC Obdachlosenheim leiten.
    Es scheint von allen Seiten betrachtet eine großartige Idee. Sozialarbeiter kommen im Trainingsanzug der verehrten Fußballteams besser an. Und ein gemeinnütziges Engagement verwurzelt den Klub stärker in seinem Viertel.
    Während der Zeit in Fulham merkte ich, dass Profiklubs in Großbritannien nur eine von vielen sozial engagierten Institutionen sind. Krankenhäuser oder Stiftungen, aber auch multinationale Firmen oder die Königsfamilie haben ihre hauptberuflichen
charity manager
, wie soll ich das übersetzen: Wohltätigkeitsmanager. Sie planen und organisieren

Weitere Kostenlose Bücher