Unser Mann in London
welche Schallplatte ich als allererste in meinem Leben gekauft hatte:
Looking for freedom
von David Hasselhoff. Ich muss ungefähr sieben Jahre alt gewesen sein und erinnere mich noch lebhaft an das Cover: Hasselhoff posierte mit frischer Dauerwelle, Armbändern und diesem schon ranzigen Lächeln. Anhören konnte ich die Schallplatte nicht. Uns fehlte der Aufsatz für den Plattenspieler, um Singles aufzulegen.
Es vergingen viele Jahre, in denen ich eher an Parkettböden und Elfmeter als an Hasselhoff dachte. Bis ich zum FC Fulham wechselte. Die Älteren im Verein meinten, sie täten mir einen Gefallen, ständig über Hasselhoff zu reden.
«Euch Deutschen kann man alles andrehen: Je grauenhafter die Musik, desto lieber hört ihr sie. Ich wette, der Hoff läuft bei euch noch immer im Radio rauf und runter», sagte unser Abwehrspieler Ian Pearce.
«Ich kann mir so gut vorstellen, wie du mit deiner ärmellosen Stonewashed-Jeansjacke im Auto fährst, Volzenthaler, die Fensterscheiben runtergekurbelt, der Ellenbogen hängt aus dem Fenster, und aus der Stereoanlage pumpt der Hoff», sagte Patch aus der Presseabteilung.
«Sing uns ein Hasselhoff-Lied», sagte unser Physiotherapeut Tom.
Die Annahme, dass wir Deutschen weder Sinn für Mode noch für Musik haben, pflegen die Engländer seit Generationen sorgfältig. Als ich in London immer wieder scherzhaft mit unseren angeblichen nationalen Geschmacksverirrungen konfrontiert wurde, begann ich bei meinen Heimatbesuchen darauf zu achten, wie wir waren. Ich muss sagen: Ein paar komische Vorlieben haben wir schon. David Hasselhoff wurde als Fernsehstar in
Baywatch
und
Knight Rider
zwar weltweit angehimmelt, aber als er versuchte, seinen Ruhm auch noch als Sänger zu strapazieren, fanden seine Schallplatten tatsächlich nur in zwei Ländern Anklang: Österreich und Deutschland.
15 Jahre nach seinen Erfolgen war er in Deutschland allerdings nicht mehr als eine verblassende Erinnerung an die frühen Neunziger. Nur in England war er noch immer alltäglich im Gespräch: als Inbegriff des schlechten deutschen Geschmacks.
Nach einer Weile wurde ich müde, mir ständig Scherze über meine doch wohl angeborene Liebe zum Hoff anhören zu müssen. Ich entschied mich, auf englische Art zurückzuschlagen: Humor mit Humor zu entkräften.
Ich ließ mich für das Fußballmagazin
Four-Four-Two
am Freibad in Raynes Park als David-Hasselhoff-Parodie fotografieren. In der roten Badehose, die Hasselhoff als Strandwächter Mitch in
Baywatch
immer trug, mit wilder Lockenperücke und einem Brusthaartoupet, das wie ein Stück brauner Teppich aussah, posierte ich am Bademeisterhochstuhl. Zu dem Foto schrieb ich in
Four-Four-Two
eine ganzseitige Hommage an Hasselhoff:
«Der Hoff ist mein Held. Er war es schon immer. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten: Der Hoff ist nicht nur eine Person. Er ist ein Geisteszustand, eine Art höhere Kraft. Die Hoffheit ist überall. Für mich ist er eine übersinnliche Inspiration. In schwierigen Zeiten frage ich mich oft: Wie würde wohl der Hoff mit der Situation umgehen? … Mag sein, dass er nur leichtherzige Rollen spielt, aber genau darin sieht der Hoff die größere Bedeutung. Die Leute lachten, als er zu erklären versuchte, wie viel
Baywatch
dazu beitrug, der Welt Frieden zu bringen, aber ich weiß: Er hat recht! Und ich verstehe ihn nur zu gut, dass er ein wenig beleidigt ist, weil die Welt seinen Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung nicht anerkennt. Seine Lieder waren doch die Quelle, die Inspiration hinter der Wiedervereinigung. Dazu muss man nur einmal in meinen liebsten Hoff-Song reinhören,
Looking for freedom
, und jeder wird sofort verstehen, was ich meine.»
Ian, Patch und Tom, meine Hasselhoff-Quälgeister in Fulham, lachten, bis sie nicht mehr konnten. Aber wenn Satire erst einmal in der stillen Post durch die Öffentlichkeit geistert, kommt meistens etwas anderes an. Ein paar Tage nach Veröffentlichung meiner Parodie erschien in
The Sun
, der meistgelesenen Zeitung Großbritanniens, ein bierernster Artikel: «Spinner Volz gibt zu, dass er ein wahnsinniger Fan von David Hasselhoff ist. Der sonderbare Fulham-Verteidiger bestätigte somit den Verdacht, den jeder in England schon immer über die Deutschen hatte: Sie lieben den behaarten
Baywatch
-König. Und als ob das noch nicht genug wäre, fährt Fulhams Kauz auch noch mit dem Klapprad zu Heimspielen.»
Es hat natürlich seine Ironie, dass im Mutterland des Humors mein
Weitere Kostenlose Bücher