Unser Sommer in Georgia
lauschte, überkam sie ein warmes Gefühl von Zugehörigkeit. Wie hatte sie nur auf die Idee kommen können, es sei am besten, sich von alldem zu trennen?
Als sie Riley nicht finden konnte, erriet Maisy schnell, wohin die Schwester geflohen war - nach oben auf den Ausguck, und zwar mit einem Buch. Maisy lief die Wendeltreppe hinauf und fand ihre Schwester oben im Schaukelstuhl. Von Mondlicht überflutet, schaute Riley auf den Strand hinaus. Sie blickte nach Osten.
Maisy trat hinter ihre Schwester. »Es tut mir leid, Riley«, flüsterte sie.
Riley drehte sich um. »Wie bitte? Ist das nicht mein Spruch?«
Maisy ließ sich neben Riley auf dem rohen Holzboden nieder. »Ich habe immer gedacht, es gäbe dieses Leben ... weißt du, dieses andere Leben. In dem Mack und ich verliebt sind und heiraten und in einer perfekten Welt leben. Ich habe mir unser Haus ausgemalt, unsere Kinder. Es war ein Leben in einer Parallelwelt, und ich konnte nicht hin. Ein einziges Ereignis war schuld daran, dass mir der Zugang zu diesem Leben verwehrt war - nämlich, dass du damals Daddy losgeschickt hast, um mich von der Strandparty wegzuholen.«
Riley hob abwehrend die Hand. »Ich habe mich doch schon ...«
Maisy legte ihrer Schwester den Zeigefinger auf die Lippen. »Pssst ... Ich bin noch nicht fertig. Ich bin also jahrelang rumgelaufen und habe mir dieses andere Leben vorgestellt. Wenn etwas schiefging oder eine Liebesbeziehung zerbrach oder wenn ich eine falsche Entscheidung getroffen hatte, dachte ich immer: ›Na klar. Eigentlich sollte ich ja dieses andere Leben führen.‹« Maisy schaute zum Mond empor. »Aber dieses Leben hat es nie gegeben. Und das ist nicht deine Schuld, Riley. Ich habe meine Entscheidungen alle selbst gefällt und meine Fehler alle selbst gemacht. Als Mack hier auftauchte, habe ich fest geglaubt, das wäre meine Chance, dieses andere Leben zu beginnen. Das Leben, auf das ich gewartet hatte.« Maisy seufzte. »Ich bin ihm nachgelaufen, als wäre er die ideale Lösung.«
»Was ist denn passiert?«, fragte Riley.
»Überhaupt nichts. Ich habe ihn durch ganz Palmetto Beach verfolgt, und als ich glaubte, der richtige Zeitpunkt wäre gekommen, da wurde er zu seinem Vater ins Krankenhaus gerufen. Und da wurde mir endlich klar, dass man nicht an dem Punkt wieder anfangen kann, an dem man vor dreizehn Jahren aufgehört hat. Oder jedenfalls können er und ich das nicht. Es ist einfach vorbei. Auch wenn es vielleicht mal gefunkt hat zwischen uns und ich Fantasien mit mir herumgetragen habe - das ist alles vorbei.«
»Das tut mir leid«, flüsterte Riley.
»Tu nicht so, als würde dir das leidtun. Du sollst dich nicht mehr verstellen, Riley. Du liebst Mack. Du hast ihn schon immer geliebt. Ich habe das damals gewusst, und ich habe es jetzt wieder gesehen. Ich wollte dir deinen besten Freund abspenstig machen, und eine Zeit lang habe ich das sogar geschafft.«
Riley schaute wieder auf das Meer hinaus. »Darum geht es nicht.«
»Warum setzt du dich denn nie für das ein, was du wirklich willst? Warum lebst du so, als würdest du dauernd das Schlimmste befürchten? Als Kind warst du aufmüpfig und hast alles riskiert. Unser Lausejunge Riley konnte alle besiegen. Und jetzt bist du eine brave, zurückhaltende Buchhändlerin, immer bemüht, bloß keinen Wind zu machen und dich so still zu verhalten, dass du deine kleine Welt bloß nicht durcheinanderbringst.«
»Ich habe Verpflichtungen.«
»Was glaubst du, was du für Möglichkeiten gehabt hättest! Du hättest richtig studieren und als Schriftstellerin nach New York gehen können. Oder du hättest dir einen reichen Kerl aus Charleston angeln und einen Butler kriegen können.«
»Ich stelle mir kein anderes Leben vor, Maisy. Ich bin nicht so wie du.«
»Also, auch wenn du dir kein anderes Leben vorstellst, dein jetziges Leben lebst du mit angezogener Handbremse. Wenn du meine Romanheldin wärst, würde ich dir jetzt dringend raten, Mack Logan zu suchen, ihm um den Hals zu fallen und ... Weißt du denn nicht, wie fasziniert er dich neulich abends angestarrt hat?«
»Sein Vater liegt im Sterben, Maisy.«
»Das klingt wie eine Ausrede.«
»Maisy, für mich ist es anders. Hinter dir sind immer irgendwelche Männer her. Aber ich muss wissen, wenn ein Mann nur freundschaftliche Gefühle für mich hat. Ich will mir nicht vormachen, dass da mehr ist, wenn es gar nicht stimmt.« Riley stand auf und lehnte sich gegen das Geländer. »Im Moment verändert sich so viel -
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