Unser Sommer in Georgia
schien endlos lange her zu sein. Mittlerweile hatte Maisy sich vollkommen verändert. Jedenfalls hatte sie das geglaubt. Aber nun hockte sie hier wieder in demselben blöden Zimmer und war immer noch dieselbe blöde Frau. Nichts hatte sich verändert.
Maisy lehnte sich gegen die Wand, trank noch einen Schluck Wein und versuchte, Riley zu überhören, die nach ihr rief. Sie konnte jetzt einfach nicht in den Laden gehen und Lucy gegenübertreten. Nach einer tränenreichen Nachricht auf ihrer Mailbox, in der Lucy gesagt hatte, sie könne nicht fassen, was Maisy getan habe, und sie hätte das niemals von ihr erwartet, hatte sie nie wieder etwas von ihrer Freundin gehört. Bestimmt hatte Tucker ihr damals alles erzählt. Aber geheiratet hatten die beiden trotzdem.
»Maisy!« Rileys Stimme kam näher, und dann wurde die Tür aufgerissen. »Was machst du denn da?« Riley griff nach der Weinflasche. »Ich verstecke mich«, antwortete Maisy. »Ich kann hier nicht raus.« Sie richtete sich auf.
»Und warum nicht?«
»Tausend Gründe.«
Riley streckte die Hand aus, um Maisy auf die Beine zu helfen. »Deine Gründe sind mir völlig egal. Ich brauche deine Hilfe. Der Laden ist rappelvoll.«
Wortlos schüttelte Maisy den Kopf.
»Du bist so egoistisch! Deine Problemchen können gar nicht so wichtig sein wie -«
Maisy sprang auf. Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Wie die Familie, willst du sagen, oder? Aber du meinst damit nicht die ganze Familie, Riley. Nein, wenn du Familie sagst, meinst du nur dich selbst und unsere Mutter. Ich bin bloß ein Anhängsel - aber ein ganz praktisches Anhängsel, wenn ihr Hilfe braucht. Wem nützt denn diese ganze Schufterei? Mir jedenfalls nicht. Es geht doch bloß um dich und Mama und euren kostbaren Laden. Und kein bisschen um mich, meinen Job oder mein Leben.«
Rileys Gesichtszüge versteinerten. »Darauf kann ich jetzt nicht antworten. Ich kann nicht ...« Sie wandte sich zum Gehen. »Wenn du wegmusst, dann hau ab, Maisy!«
Kerzengerade verließ Riley den Raum. Dann neigte sie den Kopf nach rechts, um jemanden zu begrüßen, der gerade durch die Haustür eingetreten war.
Maisy stand in der Tür des Lagerraums. Ihr war übel von dem Wein auf nüchternen Magen, und nach ihren grausamen Worten und den noch grausameren Erinnerungen war ihr Herz schwer. Ja, sie würde ihr Köfferchen packen und auf der Stelle nach Laguna Beach zurückkehren. Sie musste hier raus, aus diesem Haus, aus dieser Stadt. Langsam ging sie zur Hintertür und überquerte die hintere Veranda. Am Strand zog sie die Schuhe aus und vergrub die Füße im weichen Sand.
Sie wischte sich die Tränen ab. Brayden stand mit zwei Männern am Wasser. Sie kehrten Maisy den Rücken zu, und Brayden warf gerade ein Netz aus. Im Dämmerlicht zogen sie das Netz wieder ein. Ein Stachelrochen zappelte im Gewebe. Die Männer ließen ihn wieder frei, und ihr Gelächter hallte über den Strand. Maisy konnte ihre Gesichter nicht sehen, aber eine der beiden Stimmen kannte sie: Es war Mack Logans Lachen.
Unwillkürlich musste Maisy lächeln. Sie klammerte sich an den Gedanken an ihn und an sein Bild. Beides würde ihr in der Flut ihrer Erinnerungen als Rettungsboje dienen.
Er war hier.
Jetzt.
Sie würde hierbleiben. Aber nicht aus den Gründen, die ihre Familie für wichtig hielt.
Im Laden waren so viele Menschen, dass Maisy Lucy gar nicht gegenübertreten musste. Doch, sie konnte es schaffen. Sie war jetzt stärker als die junge Frau, die vor vielen Jahren Palmetto Beach verlassen hatte.
Maisy kämmte sich das Haar zurück, rieb sich das Gesicht, trennte die zusammengeklebten Wimpern so gut wie möglich mit dem Nagel ihres kleinen Fingers und ging in den Buchladen zurück. Auf der Veranda begegnete sie einem großen dunkelhaarigen Mann. Obwohl sie ihn noch nie gesehen hatte, kam er ihr bekannt vor. Als sie die Tür öffnete, um ihn einzulassen, stießen sie zusammen.
Lachend sagte er: »Ich wollte Ihnen doch die Tür öffnen.« Er verbeugte sich leicht. »Ich bin gebeten worden, durch die Hintertür hereinzukommen ...«
»Ach so«, sagte Maisy und hielt ihm die Tür mit dem Fuß auf. »Ich bin Maisy Sheffield.« Sie streckte die Hand aus.
»Nick Martin.« Er schüttelte ihr die Hand.
»Sie kamen mir gleich so bekannt vor. Meine Familie ... Wir sind die Eigentümer der Buchhandlung. Wir freuen uns so, dass Sie sich herbemüht haben.«
»Es ist mir ein Vergnügen.« Er bedeutete Maisy einzutreten.
»Bitte, folgen Sie mir!«,
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