Unser Sommer in Georgia
das Gefühl hat, man nimmt ihr die Fäden aus der Hand, und das hat sie jetzt natürlich. Sie sitzt im Wohnzimmer im Bett und kann nicht zu den Veranstaltungen kommen, die sie seit über einem Jahr geplant hat. Ja, ich weiß, dass sie uns allen ganz schön auf den Keks gehen kann, aber bitte ertrage sie einfach noch eine Weile. Kriegst du das hin?«
Adalee nickte. »Okay, ich hab's begriffen. Aber darf ich dich was fragen?«
»Na klar.«
»Es gehört eigentlich nicht zum Thema.« Sie zeigte auf Brayden, der schon ein Stück vorgegangen war. »Warum willst du uns nicht sagen, wer sein Vater ist? Und warum willst du es ihm nicht sagen? Glaubst du nicht, dass das vieles leichter machen würde? Dann müsstest du ihn auch nicht allein großziehen.«
Riley schaute hinter ihrem Sohn her, der schon auf das Driftwood Cottage zurannte. »Warum fragst du mich das gerade jetzt?«
Adalee zuckte die Achseln. »Ich dachte einfach, es wäre besser, wenn wir es wüssten.«
»Besser für wen? Für mich? Vielleicht. Für seinen Vater? Nein. Das könnte ich ihm nicht antun. Ich habe einen ganz schlimmen Fehler gemacht, und ich darf sein Leben nicht zerstören.«
»Bist du schon mal auf den Gedanken gekommen, dass du sein Leben vielleicht gar nicht zerstören würdest? Dass er es vielleicht gerne wissen würde?«
Riley schaute ihre Schwester an. Traurigkeit durchströmte sie wie ein träge dahinziehender Fluss. Sie hatte diese Entscheidung genauso gefällt, wie sie sonst auch ihre Entscheidungen traf, und dann weitergelebt. Im Nachhinein hinterfragte sie ihre Gründe oder ihre Motive nur ungern. Aber es schmerzte, wenn sie daran dachte, dass Braydens Großeltern in Palmetto Beach waren, ohne von ihrem Enkelkind zu wissen.
Adalee deutete auf Brayden. »Wenn er mein Sohn wäre, würde ich ihn auf jeden Fall kennenlernen wollen. Er ist der tollste Junge, den ich kenne.«
»Es ist viel komplizierter, Adalee.«
»Ja, das glaube ich. Ich wollte dich nicht kritisieren. Ich habe bloß immer überlegt, wer sein Vater sein könnte, und du sprichst nie darüber.«
»Und ich will auch jetzt nicht drüber sprechen.« Riley blieb stehen. »Außerdem hast du eigene Sorgen und Probleme.«
»Nämlich?«
»Ob du deinen Abschluss schaffst. Darfst du überhaupt nach Auburn zurück?«
»Du bist nicht aufs College gegangen, Riley. Und Maisy auch nicht. Und euch beiden fehlt doch nichts, oder?«
»Uns fehlt nichts? Adalee, denk doch mal an die vielen Möglichkeiten, die mir offenständen, wenn ich studiert hätte! Inzwischen bin ich über dreißig, aber ich überlege gerade, ob es nicht an der Zeit ist, wieder aufs College zu gehen.«
»Aber ich bin nicht dazu da, dein ungelebtes Leben nachzuholen.« Adalee stampfte mit dem Fuß auf wie ein Kind, dem man ein Eis verwehrt.
Riley seufzte und atmete laut aus.
»Ich hasse es, wenn du das machst. Du siehst genauso aus wie Mama, wenn du die Luft so ausstößst.«
Riley lächelte und verbarg ihr Lachen hinter der vorgehaltenen Hand.
»Und jetzt lachst du auch noch über mich«, sagte Adalee mit brechender Stimme.
»Ich lache gar nicht über dich, Adalee, ich lache über mich selbst. Ich stoße die Luft also aus wie Mama? Wirklich?«
Adalee ließ sich auf eine Bank am Wegrand fallen. »Riley, ich hab das Semester ja nicht absichtlich in den Sand gesetzt. Ich hab einfach übers Wochenende mit Chad einen Ausflug gemacht und noch ein paar Tage drangehängt, und dann hatte ich zu viel verpasst.«
»Was hast du denn mit deiner Zeit gemacht?«
»In meinem Design-Kurs habe ich die höchste Punktzahl gekriegt. Ich habe eine ganze Menge Entwürfe gemacht. Es ist nicht so, als hätte ich nur rumgehangen. Und ich habe an meiner Mappe gearbeitet.«
»Und du warst mit Chad unterwegs.«
»Ja.« Adalee zog einen Schmollmund. »Ich habe ihn wirklich sehr gern. Meine Freundinnen mögen ihn nicht, aber sie kennen ihn eben nicht.«
»Ach, Adalee! Du lässt dir von einem Mann ...«
»Sag's nicht! Ich höre das schon oft genug von den anderen.«
»Na gut. Aber du musst deinen Abschluss machen. Versprich es mir!«
Adalee hob die rechte Hand. »Versprochen. In zwei Semestern kann ich fertig sein.«
Riley stand auf. »Lass uns gehen!« Sie schaute zum Driftwood Cottage hinüber. Brayden stand breitbeinig davor, die Hände in die Hüften gestemmt, und wartete ungeduldig auf Mutter und Tante. Riley fragte ihre Schwester: »Weißt du, wo Maisy hin ist oder was sie gestern Abend nach der Veranstaltung noch gemacht
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