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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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dieser Fluß endete genau bei der Insel aus Blut, die sich nicht mit dem Sägemehl, auf das sie gefallen war, verbinden zu wollen schien.
    Oder vielleicht endete der Fluß doch nicht dort. Denn hinter dem Sägemehlhaufen erblickte ich jetzt die Abdrücke von zwei zusammengehörenden Reifen. Für ein Auto war die Spur zu schmal, eher hätte sie zu einem Motorrad gepaßt, nur daß in jeder der beiden Rinnen lediglich der Abdruck eines einzigen Reifens zu erkennen war und es sich demnach – mein Kopf, der hauptsächlich mit der Herkunft des Blutes beschäftigt war, hatte auf langsames Denken geschaltet – und es sich demnach wohl eher um irgendein landwirtschaftliches Fahrzeug handelte.
    Ein Anhänger? So ein Fahrgestell, mit dem man sein Segelboot auf überfüllten Straßen befördert und den ganzen Feiertagsverkehr von Somerset zum Erliegen bringt? Eine Geschützlafette? Ein Beerdigungswagen? War es diese Art von Anhänger? Wohin das Ding verschwunden war, wußten die Götter, denn nach wenigen Metern mündete die Spur in einen Betonweg und wurde unsichtbar. Und der Betonweg führte ins Nichts: denn schon wallte die nächste scharf umrissene weiße Wolke vom Hügel herab.
    Die Hintertür war verschlossen, was mich erst nur frustrierte, dann aber rasch wütend machte, obwohl ich genau wußte, daß von allen sinnlosen Gefühlen, denen ich mich hätte hingeben können – Schmerz, Verzweiflung, Enttäuschung, Entsetzen –, Wut das am wenigsten produktive und am wenigsten erwachsene war. Ich war schon auf dem Weg zu den Autos, in der Absicht, sie mir genauer anzusehen, als meine Wut mich mitten im Schritt anhielt, mich herumriß und zu einer Attacke auf die verschlossene Tür veranlaßte. Ich hämmerte mit beiden Fäusten dagegen. Ich brüllte: »Geh auf, verdammtes Ding!« Ich brüllte: »Larry! Emma!« Ich warf mich mehrmals dagegen, was weder der Tür noch seltsamerweise meiner Schulter etwas ausmachte. Ich war so außer mir, daß ich keinen Schmerz empfand. Ich brüllte: »May! Aitken May! Larry, um Gottes willen! Emma!« Dann fiel mir die rostige Axt neben den Baumstämmen ein. Ein erfahrener Spion hätte das Schloß mit der 38er gesprengt, aber ich fühlte mich nicht erfahren und dachte in meiner Erregung gar nicht darüber nach, ob die Tür abgeschlossen war. Ich schlug einfach zu, ungefähr so, wie ich Larry geschlagen hatte, nur diesmal mit einer Axt.
    Der erste Schlag brachte einen ordentlichen Spalt und jagte einen Schwarm Krähen schimpfend in die Wolke: Das überraschte mich, denn es standen nur wenige, meist tote Bäume um das Haus, abgesehen von einer Reihe scheußlich vom Wind zerzauster Macrocarpas, die so aussahen, als wären sie beim Wachsen gleich abgestorben. Der zweite Schlag verfehlte sowohl die Tür als auch um Haaresbreite mein linkes Bein. Aber ich schwang die Axt zurück und schlug noch einmal zu. Beim viertenmal platzte die Tür wie Papier. Ich warf die Axt durch die Öffnung, stieg hinterher und schrie dabei »Rauskommen!«, »Stehenbleiben!« und »Schweine!«, um den aufgestauten Dampf abzulassen. Vielleicht wollte ich mir damit aber auch Mut machen, denn als ich nach unten sah, standen meine Füße in einer Blutlache, in der Form ähnlich der ersten, aber wesentlich größer. Offenbar hatte mein Blick sich entschieden, dies als erstes wahrzunehmen, noch vor allem anderen unter der schrägen Balkendecke der Bauernküche: das zerschlagene Geschirr, die Bestecke und Töpfe auf dem Steinfliesenboden, die zerschmetterten Stühle und den umgestürzten Tisch und den Baum, den unverkennbaren Umriß eines Baums, der auf das weißgetünchte Mauerwerk über dem zertrümmerten Herd gezeichnet oder vielmehr sorgfältig gemalt war. Eine Kastanie vielleicht oder eine Zeder – jedenfalls ein Baum mit ausladendem Astwerk. Und Tropfen des getrockneten Bluts liefen noch an ihm herunter, wie Zapfen oder Dornen. Der Wald war auf der Lauer.
    Der ossetische Ku Klux Klan , hörte ich Simon Dugdale sagen. Finsterer Haufen , am Leben erhalten vom KGB …
    Aber all diese Dinge erlaubte ich mir erst genauer zu betrachten, nachdem ich das Blut zu meinen Füßen gesehen hatte. Und als ich das alles genug betrachtet und die nötigen Schlüsse gezogen hatte, nahm ich den Revolver aus dem Hosenbund – wohl eher zum Schutz vor den Toten als vor den Lebenden –, trat aus der Küche, hob den linken Unterarm quer vors Gesicht und schassierte, wie die Ausbilder das nennen, durch den Flur; ich brüllte: »Aitken Mustafa

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