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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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ermöglicht , hatte Julie gesagt. Ich sah die Telefonantenne und erinnerte mich an die stolze, nicht ganz englische Stimme: » Hallo , Sally , hier Teppichhaus , vom Autotelefon … «
    Als ich meinen roten Ford parkte, ergab sich ein Problem, das ich längst hätte lösen sollen: Sollte ich die Aktentasche mitnehmen oder im Auto lassen? Mit dem Rücken zum Haus und der offenen Wagentür als zusätzlicher Deckung, zog ich den 38er Revolver aus der Aktentasche und steckte ihn mir wieder einmal in den Hosenbund. Allmählich gewöhnte mich ein wenig zu sehr daran. Die Aktentasche verschloß ich im Kofferraum. Als ich an dem blauen Mercedes vorbeiging, strich ich mit den Fingerknöcheln über die Motorhaube. Sie war eiskalt.
    ***
    Den Vordereingang des Hauses schützte ein aus schwarzem Bruchstein gemauerter Windfang. Die Tür war grün gestrichen, die Klingel mit einer Sprechanlage verbunden. Daneben eine mattierte Stahltafel mit Zahlen. Entweder man drückte auf die Klingel, oder man gab die Kombination ein. Die Tür hatte ein Guckloch, links und rechts lange schmale Buntglasfenster, die aber so dunkel wirkten, daß ich annahm, sie seien von innen verkleidet. Eine gewellte Visitenkarte: »Aitken Mustafa May, BADA, Orientteppiche, Objets d'Art, Vors., Teppichhaus Gesellschaft, GmbH.« Ich drückte auf den Knopf und hörte die Klingel im Haus: so ein Schlittenglockengebimmel, das angeblich die Gemüter beruhigt, sie in Wahrheit aber an den Rand des Wahnsinns treibt. Ich klingelte ein zweites Mal, den Blick auf den Volkswagen gerichtet. Zulassungsnummer von diesem Jahr. Kennzeichen aus der Gegend, wie der Mercedes. Blau, wie der Mercedes. Und die Fenster schmutzig und voller Regenspuren, wie der Mercedes. Wenn Aitken das große Los zieht, bekommt jeder ein neues Auto, nahm ich an. Sind Sie der große , große Einkäufer? Der , der uns alle unermeßlich reich machen wird? Nein, das ist ein Freund von mir: der, der siebenunddreißig Millionen gestohlene Pfund für Teppiche aus dem Kaukasus ausgibt.
    Ich drückte dreimal auf die Klingel. Hörte mir aber die Schlittenglocken nicht noch einmal an, sondern ging am Haus entlang und suchte eine andere Tür, doch es gab keine; durch die Fenster war ein schmaler Flur mit weißgestrichenen Ziegelsteinen zu sehen. Als ich an eine Scheibe klopfte, erschien kein freundlich lächelndes Gesicht zur Begrüßung, nicht einmal das von Larry.
    Ich ging zur Rückseite, suchte mir einen Weg durch die Überreste einer alten Sägemühle: rostige Kreissägen, klobige Motoren mit verschlissenen Treibriemen, ein Haufen zersägter Baumstämme, die noch so lagen, wie sie vor Jahren gefallen waren, eine rostige Axt, Berge von Sägemehl, überwuchert mit Unkraut und Flechten, alles wie auf Kommando hingeworfen. Und ich fragte mich, was hier wohl, vor wie vielen Jahren auch immer, vorgefallen sein mochte, daß der Mann an der Säge und seine Kameraden mitten in der Arbeit geflohen waren und das alles so zurückgelassen hatten, wie es jetzt noch herumlag; und daß Aitken Mustafa May und sein Lagerverwalter und seine Sekretärin ihre schönen neuen Autos preisgegeben hatten und ihm gefolgt waren.
    Dann sah ich das Blut, oder vielleicht hatte ich es schon gesehen, aber an anderes denken wollen: Es lag geronnen auf dem Sägemehl, ein Flecken geschlechtsneutrales Blut, von Emma oder Larry, eine genau begrenzte Insel von etwa dreißig mal fünfzehn Zentimetern; aber das Blut war so dick, so massiv, daß ich es, als ich mich darüberbeugte, zunächst nicht als flüssig, sondern als fest wahrnahm und schon aufheben wollte – bis ich meine Hand zurückschrecken sah und mir einbildete, aus dem Sägemehl starre mir Emmas totenblasses Gesicht entgegen. Ich griff hinein. Es war gewöhnliches Sägemehl, bis zum Boden.
    Aber keine schauerliche Spur, keine verräterischen Tropfen oder Flecken führten den scharfsichtigen Detektiv zum nächsten Hinweis. Es gab nur diese eine Blutlache, und die lag auf dem Haufen Sägemehl, und das Sägemehl lag fünf Schritte von der Hintertür entfernt. Und zwischen dem Sägemehl und der Hintertür entdeckte ich eine Menge geschäftiger Fußabdrücke in beide Richtungen, diesmal nicht geschlechtsneutral, sondern eindeutig männlich: entweder Turnschuhe oder normale flache Schuhe ohne besondere Merkmale. Aber dennoch ausgeprägt männlich; hier war ein Mann hin- und hergegangen, oft und mit so energischem Schritt, daß er einen schmierigen Fluß in den Matsch getrampelt hatte, und

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