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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Menschenasche; eine Damenbörse mit Münzen für die Parkuhr, ein verbogener Volkswagenschlüssel mit Fernbedienung.
    Und ein Paar Schuhe. Kein schlammverkrustetes Ziegenleder, nicht die schwarzen Wanderstiefel, wie sie Emma am liebsten trug, sondern ordentlich geputzte, fast neue braune Pumps von der Sorte, die man wegschleudert, wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch geschuftet hat und die armen alten Füße, Größe fünf, ein bißchen anständige Luft vertragen können. Emma hatte Größe drei.
    Zwischen Aitken Mustafa Mays Sekretärin und ihrem Meister hatte es einmal zwei Türen gegeben. Sie hatten einen Abstand von etwa fünfundzwanzig Zentimetern gehabt und waren mit einem scheußlich grünen Plastikmaterial gepolstert. Aber was May sich auch immer an Ruhe von dieser Anordnung erhofft haben mochte, war jetzt nachhaltig gestört, denn die erste Tür war zu Kleinholz zertrümmert und die zweite kurzerhand auf seinen Schreibtisch geschmissen worden, was an eine mittelalterliche Foltermethode erinnerte, bei der das Opfer flach ausgestreckt, mit einem Brett bedeckt und buchstäblich vom Gewicht seiner Missetaten zu Tode gequetscht wurde: In diesem Fall waren es stapelweise Zeitschriften für Möchtegern-Freibeuter, Söldner und Sonntagsjäger; Waffenkataloge, Bestandsverzeichnisse und Preislisten von potentiellen Lieferanten; und Hochglanzfotos von Panzern, Artilleriegeschützen, schweren Maschinengewehren, Raketenwerfern, Kampfhubschraubern und Torpedobooten.
    Während ich vorsichtig in dem Chaos herumstakte, staunte ich über die Gründlichkeit der Eindringlinge. Es schien, als hätten sie alle Götzensymbole planmäßig aufs Korn genommen und zerstört – und auch manches, das meines Wissens kein Götzensymbol war, wie zum Beispiel das Waschbecken im Badezimmer nebenan, wo sie die gläserne Ablage in die Wanne geschmissen und die Vorhänge in die Toilettenschüssel gestopft hatten.
    Am schlimmsten aber hatte man die Sachen geschändet, die Aitken Mustafa May am meisten geliebt hatte: die Fotografien seiner Kinder, von denen er offenbar viele und von verschiedenen Frauen hatte; den Mercedes-Briefbeschwerer, Eigentum eines stolzen neuen Besitzers; die Bronzefigürchen und antiken Keramiktöpfe; oder das Jackett seines nagelneuen dunkelblauen leichten Aquascutum-Anzugs, von dem noch Fetzen über der Lehne seines Stuhls hingen; oder der illuminierte Koran auf dem Tisch, entweiht von gewaltigen Hieben, die bis in die Tischplatte gedrungen waren; oder das Bild von Julie, vermutlich von demselben Fotografen aufgenommen, der die beiden auf den sonnenbeschienenen Baumstamm gesetzt hatte, nur daß sie hier im Badeanzug zu sehen war und, lächelnd der Kamera zugewandt, in der Kulisse eines Karibikkreuzers stand. Und die dezenten Trophäen aus seinem früheren Leben, etwa die zu einer Blumenvase umgearbeitete Geschoßhülse aus Messing und der versilberte Mannschaftstransportwagen, den ihm ein dankbarer, aber anonymer Käufer gewidmet hatte: beides zu Klump geschlagen.
    Meinen Fußspuren folgend, ging ich durch den Flur zurück. Die Küchentür stand noch offen, aber ich lief, ohne hineinzusehen, vorbei. Ich hielt den Blick starr nach vorn gerichtet, dorthin, wo eine andere Tür, diesmal aus Stahl, mir den Weg versperrte. Ein Schlüssel aus einem größeren Bund steckte bereits im Schloß, und als ich ihn umdrehte, bemerkte ich die Schlüssel von Aitken Mays Mercedes. Ich schob mir den Bund in die Tasche, trat über die Stahlschwelle und sah im Tageslicht, das durch die offene Tür hinter mir fiel, daß der Flur von hier an mit einer zusätzlichen Mauer ausgekleidet war und die zugenagelten Fenster mit Sandsäcken gefüllt waren. Ich rief mir die äußere Gestalt des Hauses ins Gedächtnis und wußte, daß ich mich jetzt im zweiten Güterwaggon befand. Noch während ich diese Entdeckung machte, wurde ich plötzlich blind.
    Ich zwang mich, klar zu denken, und kam zu dem Schluß, daß die Stahltür hinter mir zugefallen war, entweder von selbst oder weil jemand sie gestoßen hatte, und es also ratsam wäre, nach einem Lichtschalter zu suchen, obwohl ich bezweifelte, daß irgendein Stromkreis eine solche Verwüstung überlebt haben könnte. Aber ich dachte an den Anrufbeantworter und faßte Mut. Und mein Optimismus wurde belohnt, denn als ich mich an dem Mauerwerk entlangtastete, entdeckte ich zu meiner Freude ein über Putz verlegtes Kabel. Ich schob mir den Revolver in den Hosenbund zurück – auf was hätte ich in

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