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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Unvernunft: Emma war eine Falle, eine Honigfalle, eigens für mich aufgestellt durch eine Verschwörung meiner Feinde! Ich, Cranmer, der Zurückhaltende, der heimliche Romantiker und Veteran einer Unmenge gescheiterter Liebesaffären, war auf den ältesten Trick aller Zeiten hereingefallen!
    Sie war von Anfang an auf mich angesetzt gewesen! Von Larry. Von TT. Von Zorin. Von den beiden, von den dreien zusammen, von allen vier!
    Aber warum? Zu welchem Zweck? Um mich als Tarnung zu benutzen? Honeybrook als Tarnung? Das war einfach zu absurd.
    Voller Scham, ein Opfer derart abwegiger, unprofessioneller Phantasien geworden zu sein, drängte ich sie zurück und suchte, um meine auflodernde Paranoia weiter zu schüren, nach anderen Möglichkeiten.
    Was wußte ich von ihr? Auf mein eigenes Drängen hin so gut wie nichts, außer dem, was sie mir oder an Sonntagen Larry in meinem Beisein freiwillig erzählt hatte. Merrimans Bündel verstaubte noch immer ungelesen hinter dem Vorhang in meinem Versteck, Symbol meiner Integrität als Liebhaber.
    Ein italienischer Name.
    Ein toter Vater.
    Eine irische Mutter.
    Eine unstete, amateurhafte Kindheit.
    Ein englisches Internat.
    In Wien Musik studiert.
    Nach Osten gegangen, auf Esoterik gemacht, sich jeder hirnrissigen Sache verschrieben, die einem Hippie nur einfallen kann, vor die Hunde gegangen.
    Nach Hause gekommen, sich wieder treiben lassen, weiter Musik studiert, komponiert, arrangiert, Gründungsmitglied einer sogenannten Alternativen Kammermusikgruppe, die traditionelle Musikinstrumente der neuen Welt in die klassische Musik der alten einbringen wollte – oder war es umgekehrt?
    Sich dabei gelangweilt, einen Sommerkursus in Cambridge besucht, die tröstlichen Worte Lawrence Pettifers über die Degeneration des Westens gelesen oder nicht gelesen. Nach London zurück, sich jedem hingegeben, der bitte bitte sagte. In Panik geraten, Cranmer kennengelernt, ihn zu ihrem willfährigen, vernarrten, geblendeten Beschützer ernannt.
    Larry kennengelernt. Verschwunden. Mit hochgesteckten Haaren und mit den Beinen vor Jamie Pringles Nase herumwedelnd unter dem Namen Sally wieder aufgetaucht.
    Meine Emma. Meine falsche Morgendämmerung.
    * **
    Wir liegen im Bett, nackt. Sie legt mir ihr schwarzes Haar um die Schultern.
    »Soll ich Timbo zu dir sagen?«
    »Nein.«
    »Weil Larry es tut?«
    »Ja.«
    »Weißt du, ich liebe dich. Also nenne ich dich natürlich so, wie du willst. Ich sag auch ›He du‹ zu dir, wenn du willst. Ich bin da sehr flexibel.«
    »Tim ist schon in Ordnung. Einfach Tim. Und, ja, du bist sehr flexibel.«
    ***
    Wir liegen vor dem Kamin in ihrem Schlafzimmer. Sie birgt ihr Gesicht an meinem Hals.
    »Du bist ein Spion, stimmt’s?«
    »Sicher. Wie bist du drauf gekommen?«
    »Heute morgen. Habe beobachtet, wie du deine Post gelesen hast.«
    »Du meinst, du hast die Geheimtinte gesehen? «
    »Du wirfst nichts in den Papierkorb. Alles, was du wegzuwerfen hast, kommt in eine Plastiktüte, und die steckst du in den Verbrennungsofen. Du persönlich.«
    »Ich bin noch ein sehr junger Winzer. Erst vor sechs Monaten auf die Welt gekommen, als ich dich kennengelernt habe.«
    Aber ein erster Argwohn war geweckt. Warum beobachtete sie mich? Warum dachte sie so etwas von mir? Was hat Larry ihr in den Kopf gesetzt, womit hat er sie dazu gebracht, ihren Beschützer so streng zu observieren?
    * **
    Ich war bei meinem Club angelangt. In der Eingangshalle lasen alte Männer die Börsenkurse. Jemand begrüßte mich, Gordon Soundso – Gordon, wunderbar, wie geht’s Prunella? Ich setzte mich im Rauchzimmer in einen Ledersessel, starrte in eine unlesbare Zeitung und lauschte dem Gemurmel von Männern, die ihr Gemurmel für wichtig hielten. Der Nebel der Saison legte sich an die hohen Schiebefenster. Charlie, der nigerianische Portier, ging umher und machte die Leselampen an. Draußen auf der Pall Mall stand die tapfere Schar meiner Beobachter in Hauseingängen, trat sich die Füße warm und beneidete die freitäglichen Pendler, die fürs Wochenende nach Hause durften. Ich sah sie in Gedanken deutlich vor mir. Ich saß bis zum Einbruch der Dunkelheit im Rauchzimmer, scheinbar mit Lesen beschäftigt. Die Standuhr schlug sechs. Kein pensionierter Admiral rührte sich.
    * **
    »Larry glaubt wirklich daran, oder?« sagt sie.
    Ein Sonntagabend. Wir sind im Salon. Larry ist vor zehn Minuten gegangen. Ich habe mir einen großen Scotch eingeschenkt und hänge in meinem Sessel wie ein Boxer zwischen

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