Unser Spiel
den Runden.
»Woran?« frage ich.
Keine Reaktion.
»Ich habe noch nie einen Engländer kennengelernt, der an etwas glaubt. Die meisten sagen bloß ›einerseits und andererseits‹ und tun überhaupt nichts. Als ob man ihnen die mittleren Teile des Motors ausgebaut hätte.«
»Ich versteh dich immer noch nicht. Woran glaubt er?«
Ich habe sie verärgert.
»Schon gut. Du hast offenbar nicht zugehört.«
Ich nehme noch einen Schluck Scotch. »Vielleicht hören wir verschiedene Dinge«, sage ich.
Was habe ich damit gemeint? fragte ich mich, während ich durch die Gardinen vor den Fenstern des Rauchzimmers in den rosa schwelenden Abend hinausstarrte. Was habe ich gehört, das Emma nicht hörte, als Larry ihr seine Vorträge hielt, seine politischen Arien sang, sie begeisterte, ausfragte, beschämte und lossprach und noch ein bißchen mehr ausfragte? Ich hatte Larry, den großen Verführer, gehört, beantwortete ich mir die Frage selbst. Ich dachte, daß meine Vorurteile mich in die Irre geführt hatten, daß Larry, wenn es darum ging, Herzen zu gewinnen, immer viel besser gewesen war als ich. Und daß ich mich zwanzig Jahre lang einer sehr einseitigen Täuschung darüber hingegeben hatte, wer bei dem großen Cranmer-Pettifer-Unentschieden die Fäden gezogen hatte.
Im Kamin des Rauchzimmers brannten die Kohlen träge vor sich hin, und ich wandte mich der Frage zu, ob Larry durch irgendwelche geheimnisvollen Mittel, die ich noch zu ergründen hatte, seine Ermordung gewissermaßen selbst inszeniert hatte. Und ob ich, wenn ich den tödlichen Schlag ausgeführt und nicht zurückgehalten hätte, ihm damit einen Gefallen getan haben würde.
***
Der rosa Nebel, den ich durch die Fenster meines Clubs beobachtet hatte, wurde noch dichter, als das Taxi Haverstock Hill hinauffuhr. Wir kamen in Emmas Ödland. Es begann, soweit ich das je hatte ermitteln können, etwa bei Belsize Village und erstreckte sich nach Norden bis Whitestone Pond, nach Osten bis Kentish Town und im Westen bis zur Finchley Road. Was auch immer dazwischen lag, war feindliches Gebiet.
Was Hampstead ihr angeblich angetan hat, hat sie mir nie erzählt, und aus Respekt vor der Souveränität, die uns beiden so viel bedeutete, habe ich nie danach gefragt. Aus ihren seltenen Andeutungen hatte ich mir ein Bild zusammengesetzt, wie sie durch die Hände von intellektuellen Kleinfürsten gegangen war, die älter und weniger ätherisch waren als sie. Angesehene Journalisten spielten eine große Rolle in ihrem Bestiarium. Psychiater beiderlei Geschlechts waren die schlimmsten. Eine Zeitlang hatte ich mir vorgestellt, wie meine arme Schöne immer wieder aus dem Sumpf herauswatete und nur allzu oft bei dem verzweifelten Versuch, aufs feste Land zu kommen, beinahe ertrank.
Das Sprechzimmer befand sich in einer ehemaligen Baptistenkirche. Ein Messingschild am Torpfosten pries Arthur Medawi Dass und seine zahlreichen wissenschaftlichen Qualifikationen. Auf einer Anschlagtafel im Wartezimmer wurden angeboten: Aromatherapie, Zen und vegetarisches Bed & Breakfast. Die Sprechstundenhilfe war nach Hause gegangen. Auf Emmas Stuhl saß eine verhärmte Frau in Grün. Vermutlich habe ich sie lange angesehen, denn sie wurde rot. Aber ich sah dort keine Frau in Grün, sondern Emma in der Rolle der tragischen Heldin, wie sie mir am Abend unserer ersten Begegnung erschienen war.
* **
Herzzerreißend gekleidet. Nicht anständig , wie für Pringles Bank. Wedelt nicht mit den Beinen vor mir herum, dennoch erkenne ich ohne weiteres, daß sie, auch vor Schmerzen zusammengekrümmt, ein großes und sehr hübsches Mädchen ist und bemerkenswert schöne Beine hat. Ein sittsames Käppchen zieht ihr das schwarze Haar aus der Stirn. Ihr Blick ist stoisch abgewandt. Ihre Kleidung eine Mischung aus Heilsarmee und Edith Piaf auf dem Strich. Ein langer schwarzer Juterock, schwarze Wanderstiefel. Eine gestreifte Wollweste, die vage an Buschpioniere erinnert. Und zum Schutz ihrer Pianistinnenhände Fausthandschuhe, schwarz und leicht ausgefranst.
Mein Rücken macht mir wirklich zu schaffen. Beißende Schlangen vom Kopf bis zu den Füßen. Doch während ich sie verstohlen mustere, wird mir ihre Not wichtiger als meine eigene. Ihr Schmerz ist zu alt für sie, zu häßlich. Er läßt sie allzusehr als Gouvernante und nicht genug als Göre erscheinen. Ich möchte ihr die besten Ärzte besorgen, die wärmsten Betten. Wieder begegnen sich unsere Blicke. Ihr Schmerz macht sie offener für Kontakte,
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