Unser Spiel
reinsteckte und verkündete, Aschenbrödels Kutsche sei vorgefahren. Ich erinnere mich, daß in meinem Kopf ein tausendstimmiger Engelchor losjauchzte und ich dachte, zur Feier deiner Erlösung aus dem schwarzen Licht ist eine Flasche 55er Cheval Blanc und ein ordentliches Quantum 27er Grahams Portwein ein angemessen himmlisches Beiwerk.
Jamie Pringle hatte sich schwerfällig erhoben und entfaltete eine Leidenschaft, wie ich es außerhalb des Rugbyplatzes nie bei ihm erlebt hatte.
»Pandora. Sie kommen genau richtig. Sehen Sie sich das hier an. Ein Skandal. Rufen Sie bitte sofort Mrs. Peters an, ja? Hat verschiedene Teelöffel gedeckt. Am Ende ruiniert sie das ganze Besteck. Finden Sie raus, warum , wo und wer .«
Ich jedoch hatte herausgefunden, wann .
***
Die Euphorie, die in gewissen Teilen meines Kopfs anhalten mochte, war im übrigen nur von kurzer Dauer. Das weiße Licht, in dem ich nun wieder lebte, ermöglichte mir, die Ungeheuerlichkeit ihres gemeinsamen Verrats deutlicher zu sehen als je zuvor. Sicher, ich hatte zur Waffe gegriffen. Ich hatte ein falsches Spiel getrieben, ich hatte ein Auto gemietet und war in die Nacht hinausgefahren, fest entschlossen, meinen langjährigen Freund und Agenten kaltzumachen. Aber er hatte es verdient! Und sie auch!
* **
Ich ging zu Fuß.
Emma .
Ich war betrunken. Nicht vom Wein. Nach fünfundzwanzig Jahren bei der Firma habe ich den Schädel eines Ochsen. Trotzdem betrunken: benebelt, demütigend betrunken.
Emma.
Was an dir ist Sein, was Schein – wenn du, die Haare hochgesteckt, mit den Beinen vor Jamie Pringles Nase herumwedelst? Was sonst noch war von dir gelogen, während ihr beide hinter meinem Rücken über mich gelacht habt – über Timbo, den spießigen Timbo, den Spätentwickler mit seinem ewigen Sabberlächeln?
Spielt den Engel. Rackert sich bis tief in die Nacht mit hoffnungslosen Fällen ab. Telefoniert, klappert auf der Schreibmaschine, macht ein ernstes Gesicht, ein feinsinniges, ein beschäftigtes, ein reserviertes Gesicht, borgt sich den Sunbeam, um zur Post, zum Bahnhof, nach Bristol zu fahren. Für die Unterdrückten dieser Erde. Für Larry.
***
Ich ging zu Fuß. Ich schäumte. Ich jubelte. Ich schäumte wieder.
Aber trotz meiner Wut entging mir doch nicht das unscheinbare Pärchen, das auf der anderen Straßenseite nicht mehr länger ein Schaufenster betrachtete und sich in gleicher Richtung und gleicher Geschwindigkeit mit mir in Bewegung setzte. Und ich wußte, mir folgten noch drei weitere, außerdem ein harmloses Auto, ein Lieferwagen oder ein Taxi, das ihnen zur Verfügung stand. Und daher wußte ich, daß ich trotz aller Wut und Erleichterung und neuer Entschlossenheit und verändertem Status als absolut normaler Zeitgenosse den Schein zu wahren hatte. Ich durfte nichts unternehmen, was mich als etwas anderes denn als gut abgefütterten Kurator und ehemaligen Spion erscheinen ließ, der seinen legitimen Beschäftigungen nachging. Und ich war Emma und Larry und meinen Beobachtern dankbar, daß sie mir diese Verantwortung auferlegten. Denn der Schein war stets eine geregelte Tätigkeit gewesen, eine Disziplin, die die Anarchie in Schach hielt, und in meinem Innern war die Anarchie jetzt voll ausgebrochen:
Emma! Wie hat er dich in Gottes Namen nur soweit bringen können!
Larry! Du heimtückischer, rachsüchtiger, räuberischer Schweinehund.
Ihr beide! Was zum Teufel treibt ihr bloß und warum?
Cranmer! Du bist kein Mörder! Du kannst aufrecht gehen! Du bist unschuldig!
* **
Ich war ein Idiot.
Ein rasender, wütender, kaltblütiger Idiot, zugleich aber ein Idiot, dem die Freiheit wiedergegeben war. Ich hatte mir eingebildet, ungeheuer verliebt zu sein, und eine Schlange in mein Leben gelassen.
Ich hatte sie aufgenommen, verhätschelt, bedient, gesalbt und ihre Eigenarten vergöttert; sie verschwenderisch mit Schmuck und Freiheit beschenkt, sie zu meiner Modepuppe und zum Objekt meiner Liebe gemacht, sie war die Frau all meiner Träume, meine Heilige, Göttin, Tochter und, wie Larry sagen würde, meine Sklavin. Ich hatte sie geliebt, weil sie mich liebte, weil sie ernst sein und lachen konnte; ich hatte sie wegen ihrer Schwächen und ihrer Promiskuität und wegen des Vertrauens geliebt, das sie in meinen Schutz setzte. Und weshalb das alles? Was nur, abgesehen von den blauäugigen Sehnsüchten eines Spätentwicklers, hatte mich dazu getrieben?
In meiner neuen, von nichts mehr gehemmten Wut geriet ich in einen wahren Strudel der
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