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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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folgte seinen Anweisungen, ging fünfzig Meter weiter und bog rechts ab. Nur auf einer Seite standen Häuser. Auf der anderen befand sich eine Grasfläche, eingefaßt von der mit Zickzackmuster und roter Mauerkrone versehenen Brustwehr, die ich von unten gesehen hatte. Ich spielte den zufällig hier aufgekreuzten Touristen und blieb davor stehen. Vom Bahnhof strömten die abgeschnittenen Hauptstraßen des Empire in die Dunkelheit.
    Ich drehte mich um und betrachtete die Häuser. Jedes hatte oben zwei Fenster, ein Flachdach, einen Schornstein und eine Fernsehantenne. Jedes Haus war in einem anderen Pastellton gestrichen. Eingangstüren links, Erkerfenster rechts. Mein Blick schwenkte über die ganze Reihe; bei den meisten war das Erkerfenster erleuchtet, bei manchen ein Schlafzimmer, oder ein Fernseher flackerte; oder eine phosphoreszierende Türklingel leuchtete, und man spürte, daß hinter den Vorhängen Leben war. Nur das letzte Haus war völlig dunkel, und es hatte die Nummer 9A. Waren die Bewohner geflohen? Hatten zwei Liebende ihre Armbanduhren abgelegt und waren eng umschlungen eingeschlafen?
    Gemächlich, ein Mensch ohne Geheimnisse, verschränkte ich die Hände auf dem Rücken und schritt, ganz Kolonialherr, zur Inspektion. Ich bin Architekt, Landvermesser, ein potentieller Käufer. Ich bin ein englischer Weinzüchter von einem gewissen gesellschaftlichen Rang. Geparkte Autos verstellten den Bürgersteig. Ich ging mitten auf der Straße. Kein blauer Toyota. Überhaupt kein Toyota. Ich ging langsam, ich tat so, als läse ich die Hausnummern. Soll ich das da kaufen, oder das daneben? Oder alle auf einmal?
    Schweiß lief mir über die Rippen. Ich bin nicht vorbereitet, dachte ich. Nicht kompetent, nicht trainiert, nicht bewaffnet, nicht mutig. Ich habe zu lange am Schreibtisch gesessen. Auf die Angst folgte ein Sturm von Schuldgefühlen. Er ist hier. Tot. Er ist hierher zurückgetaumelt und hier gestorben. Gleich wird der Mörder die Leiche entdecken. Der Schuldige ist gekommen, um die bittere Pille zu schlucken. Dann fiel mir ein, daß Larry am Leben war, daß er wieder lebendig war, seit Jamie Pringle sich an das letzte Waldhuhn der Saison erinnert hatte, und meine Schuldgefühle zogen sich in ihren Bau zurück.
    Ich hatte das Ende der Häuserreihe erreicht. Nummer 9A war ein Eckhaus, wie jedes sichere Haus es sein sollte. Die zugezogenen Vorhänge in den oberen Fenstern waren orangefarben und glatt. Das bleiche Licht der Straßenlaterne schimmerte auf dem billigen Gewebe. Innen war es dunkel.
    Ich setzte meinen Erkundungsgang fort und bog in die Nebenstraße. Oben noch ein Fenster, unbeleuchtet. Eine verputzte Mauer. Ein Nebeneingang. Ich ging auf den Bürgersteig gegenüber und sah mich besitzergreifend auf der Straße um. Hinter einer Gardine saß eine gelbe Katze und starrte mich an. Ein Dutzend Autos parkten auf beiden Seiten der Straße, darunter eins, das zum Schutz vor dem Wetter mit einer Plastikplane abgedeckt war.
    Noch ein gemessener Blick über Haustüren, Bürgersteige und geparkte Autos. Die Schatten waren nicht leicht zu durchschauen, aber eine menschliche Gestalt konnte ich nicht darin erkennen. Mit der Spitze meines rechten Schuhs hob ich die Plastikplane und erblickte die verbeulte hintere Stoßstange und das vertraute Kennzeichen von Larrys blauem Toyota. Es war einer der kleinen Tricks, die wir den Joes in der Ausbildung beibrachten, damit sie leichter über den Augenblick der Rückkehr in die wirkliche Welt hinwegkommen konnten: wenn ihr euch Sorgen um euren Wagen macht, deckt eine Plane drüber.
    Der Nebeneingang hatte weder Klinke noch Schlüsselloch. Ich ging wieder zurück und drückte im Vorbeigehen heimlich dagegen, aber die Tür war von innen verriegelt oder abgeschlossen. Mitten drauf war mit Kreide ein L gemalt. Der untere Balken des L zeigte nach unten. Ich betastete den Kreidestrich. Wachsmalkreide, regenbeständig. Ich bog wieder in die Cambridge Street ein, marschierte selbstbewußt zur Vordertür und drückte auf die Klingel. Nichts. Strom abgestellt. Larry und seine Rechnungen. Ich nahm den Klopfer und pochte behutsam. Wie auf Honeybrook am Silvesterabend, dachte ich, als der Lärm durchs Haus schallte: Diesmal bin ich dran und klopfe das verliebte Pärchen aus dem Bett. Ich verhielt mich ganz dreist, nichts war vorbereitet. Aber das Kreidezeichen gab mir zu denken.
    Ich hob die Briefkastenklappe und ließ sie zufallen. Ich klopfte an das Erkerfenster. Ich rief: »He, ich

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